Ach was? – Der Poolfaktor
Eigentlich möchte ich ja hier nicht irgendwelche Grundlagen zur Börse, Eigenheiten und Besonderheiten von Wertpapieren oder anderen Finanzinstrumenten zu vermitteln…
Denn es gibt inzwischen sooo viele Möglichkeiten, sich entweder über einschlägige Bücher oder aber auch über das Internet das nötige Wissen anzueignen. Wozu also noch eine weitere Seite mit Grundlagen?
Aber ich habe ja schon hin und wieder eine Ausnahme gemacht. Immer dann, wenn ich denke, dass es sich um eine Besonderheit handelt, die entweder wenig bekannt ist oder wenn ich eine spezielle Anwendung sehe oder einfach, wenn mich ein Thema besonders fasziniert.
Und über eine solche Besonderheit, die recht wenig bekannt sein dürfte, will ich (aus gegebenen Anlass*…) heute einmal berichten: Es geht um den Poolfaktor ! (*Über den Anlass berichte ich beim nächsten Mal)
=> Einkünfte, Einnahmen und Einkommen
Wichtig für das Verständnis von Steuerfragen
Der Poolfaktor
Angesichts der vergangenen außergewöhnlich heißen Tage (oder Wochen) könnte man auf den Gedanken kommen, dass es sich dabei um die Anzahl der Tage im Jahr handelt, an denen man es sich im heimischen Pool gut gehen lassen kann. Bezogen auf den Rest des Jahres: Poolfaktor. Falsch !
Nein – es geht um einen nicht ganz so häufigen Vorgang bei Anleihen. Wer sich also nicht mit Anleihen beschäftigt und das auch nicht vorhat, kann schon mal aufhören mit dem Lesen. Für die wenigen, die selber einzelne Anleihen kaufen (also nicht als Fonds oder ETF) wird es vielleicht interessant…
Jeder Inhaber von Anleihen hofft ja darauf, dass seine Anleihe irgendwann zurückgezahlt wird. Meistens am Ende der Laufzeit der Anleihe. Allerdings hat der Emittent sich oft ein vorzeitiges Kündigungsrecht vorbehalten. Und dann hat man sein Geld manchmal früher zurück, als es einem lieb ist.
Eine ganz besondere Form der vorzeitigen Rückzahlung ist die Teilrückzahlung. Der Emittent kann in solchen Fällen die Anleihe eben auch nur zu einem Teil zurückzahlen. Wann er das kann und wie viel, kann man im Zweifel immer im Emissions-Prospekt nachlesen.
Aber wie läuft nun so eine Teilrückzahlung ab? Was passiert denn nun, wenn sich der Emittent entschließt, von seiner 100 Millionen Anleihe schon einmal 20 Millionen vorzeitig zurückzuzahlen?
Es soll früher wohl mal Verfahren gegeben haben, bei denen einzelne Käufer der Anleihe ausgelost worden sind, deren Anteile dann zurückgezahlt wurden. Die anderen konnten/mussten ihre behalten. Ich selber kenne dieses Verfahren nicht, halte es auch für nicht so praktikabel und im Zweifel auch für ungerecht.
=> Teilerlass der Kirchensteuer beantragen
Mit: Vorgehensweise und Fallstricke
Prozentuale Teilrückzahlung
Heute wird in der Regel einfach prozentual zurückgezahlt. Im Beispiel oben bekommt jeder Anleihen-Inhaber 20% seines investierten Kapitals zurück.
Die verbleibende Rest-Anleihe behält ihren Nominalwert – dieser wird nicht verändert! Aber es kommt jetzt noch der Poolfaktor hinzu. Dieser ist im Normalfall (und am Beginn der Laufzeit) immer gleich 1. Werden aber, wie im Beispiel, 20% zurückgezahlt, beträgt der Poolfaktor nur noch 0,8 oder auch 80%.
Der aktuelle Wert einer solchen Anleihe berechnet sich also dann immer aus:
Wert der Anleihe = Nominalwert * Kurs * Poolfaktor
Das Dumme ist nur, dass man es einer Anleihe nicht ansieht, dass es einen solchen Poolfaktor gibt. Und mir ist auch keine Internetseite bekannt, die diesen Poolfaktor mit ausweist (wer eine solche Seite kennt: bitte melden!!).
Schönes aktuelles Beispiel ist die Anleihe der Heidelberger Druckmaschinen (WKN: A1KQ1E).
Eine Anleihe mit einem Kupon von 9,25%. Leider weist sie eine Mindeststückelung von 50.000 Euro auf. Also nicht so gut geeignet für den nicht ganz so prall gefüllten Geldbeutel.
Oder doch? Die Anleihe hat nämlich einen Poolfaktor von ca. 0,32 ! Hier hat also der Emittent sein Recht bereits wahrgenommen und hat schon ca. 2/3 der Anleihe zurückgezahlt. Für die Mindeststückelung von 50.000 Euro nominal sind also „nur“ ca. 16.000 Euro (*Kurs) zu bezahlen. Das ist schon eher erschwinglich und vielleicht für manch einen interessant. Nur – man sieht es der Anleihe eben nicht an !
Ob es sich nun lohnt, diese Anleihe zu kaufen, ist natürlich eine ganz andere Frage. Dabei wäre dann auch noch zu beachten, dass eine weitere Rückzahlung (und dann wohl komplett) für April 2016 so gut wie sicher ist. Aber darum sollte es heute ja auch nicht gehen. Sondern nur um die Erklärung des Poolfaktors.
Und zur Abkühlung empfehle ich jetzt eine Runde Schwimmen im Pool…
Bei Fragen, Kritik oder Anmerkungen bitte die Kommentarfunktion benutzen.
Angenommen ich habe 100.000 EUR Nennwert zum Kurs von 95% gekauft zu einem Zeitpunkt, an dem der Poolfaktor 1 war. Der Emittenten zahlt nun 30% zurück, d.h. der Poolfaktor geht auf 0,7 herunter und ich erhalte 30.000 EUR.
Was bedeutet das steuerlich? Muss ich einen real. GV von 30.000 – 0.3*95.000 = 1.500 EUR versteuern?
Wenn später der Rest (70.000) zurückgezahlt wird, wie ist es dann mit dem zu versteuernden GV?
Ja. Genau so würde ich das auch rechnen. Eigentlich ganz einfach: Die zurückgezahlten nominell 30.000 sind einmal für 95% gekauft worden. Werden sie jetzt zu 100% zurückgezahlt, ergibt sich ein Gewinn von 30.000 * 5% = 1.500 Euro. Und dieser ist zu versteuern.
Wenn der Rest zurückgezahlt wird, ist es nicht anders. Was hat es gekostet? 70.000 * 95%. Zurück gibt es (wahrscheinlich) 70.000 * 100%.
Gewinn ist 70.000 * 5% = 3.500 Euro. Wieder zu versteuern.
In der Praxis ist es dann immer etwas komplizierter, weil a) die Kosten für Ankauf und ggfs. die Rückgabe zu berücksichtigen sind und b) es u.U. noch Stückzinsen (bei Kauf und Rückgabe) in die Rechnung mit einfließen.
Trotzdem: Eigentlich eine keine so komplizierte Rechnung, für die aber meine Bank mehrere Anläufe gebraucht hat.
Gruß, der Privatier
Hallo,ich bin bewusst Risiko gegangen, 1000 St. einer Argentinien-Anleihe zu kaufen für 99%, 7,8% Kupon, Laufzeit 2005-2033. Von einem Poolfaktor war nichts im Prospekt zu finden. Die Abrechnung war dann wesentlich höher als erwartet, denn darin tauchte dieser Poolfaktor in Höhe von 1,37 auf. statt 990 € betrug der Kaufwert satte 1370 €. Wie muss ich es deuten, dass der Poolfaktor höher als 1 ist? Wurden Kupons nicht ausgezahlt? Was noch viel wichtiger ist, wie erfahre ich den aktuellen Poolfaktor zum Zeitpunkt des Verkaufes?
Ich habe selber nie Argentinien-Anleihen besessen, kann also nur von „Hören-Sagen“ berichten. Soviel ich weiß, wurden die Anleihen nach der Staatspleite vor ein paar Jahren umgeschuldet/restrukturiert. Folge: Ein Teil der bis dahin nicht gezahlten Zinsen wurden kapitalisiert, d.h. zum Nennwert addiert. Das Ganze macht man dann über den Poolfaktor.
Im Prinzip handelt es sich im den umgekehrten Fall, wie oben im Beitrag beschrieben. Dort wurde vorzeitig zurückgezahlt mit dem Ergebnis eines Poolfaktors kleiner 1.
Bei den Argentinien-Anleihen sind Zahlungen ausgefallen mit dem Ergebnis eines Poolfaktors>1.
Nach einer zuverlässiggen Quelle, wo man den Poolfaktor vorher erfährt, suche ich auch noch. Kann ich also nicht beantworten.
Ich muss allerdings sagen, dass mir meine Bank (comdirect) vor dem Kauf immer in etwa die Gesamtbelastung des Kaufes anzeigt. Darin ist dann der Poolfaktor enthalten. Wenn sich bei dieser Summe also unerwartete Abweichungen ergeben, sollte man ggfs. noch einmal genauer recherchieren.
Gruß, Der Privatier
Danke für die schnelle Antwort.
Die Anleihe (WKN A0DUDG)habe ich bei comdirect geordert. Während und direkt nach Ausführung wurde nur der Kurs von 99% angezeigt und vorläufig der Betrag von etwas mehr als 1000,00 € inkl. Gebühren verbucht. Erst am Folgetag wurde der Poolfaktor in der Abrechnung angezeigt und der neue Gesamtbetrag + Stückzinsen abgebucht. Im Depot habe ich als Kaufpreis 137,51 Euro stehen und als aktuellen Netto-Kurs 98,4%. Das ergibt in der Depot-Anzeige ein vermeintliches Minus von 391,00 €. Der Poolfaktor wird nirgends angezeigt.
Ich werde dann doch mal bei comdirect anfragen und die Antwort hier posten.
Gruß kwifte
Tatsächlich! Habe es gerade mal ausprobiert. In dem vorläufigen Kaufbetrag ist der hier der Poolfaktor nicht enthalten. War damals bei meinem o.g. Beispiel definitiv anders.
Dennoch bin ich (fast) sicher, dass deine Abrechnung korrekt ist. Der Poolfaktor ist bei verschiedenen Argentinien-Anleihen vorhanden.
Gruß, Der Privatier
Ich denke auch, dass die Abrechnung stimmt. Aber solch ein Poolfaktor sollte zumindest im Datenblatt der Anleihe angezeigt werden. Als Käufer muss ich vorher den annähernden Investitionsbetrag wissen. Bei den 1000 St. war das kein Problem, das Depotkonto ausreichend gedeckt. Aber wenn man 10.000 oder 20.000 St. ordert, kommt da schon ein ansehnlicher Mehrbetrag zustande.
Gruß kwifte
Auf meine Mail an comdirect hin habe ich gestern einen Anruf von einem Mitarbeiter erhalten. Nach seiner Aussage entstand der Poolfaktor durch eine Umwandlung der Anleihe vor einigen Jahren und soll bis 31.12.2024 unverändert bei dem jetzigen Wert von ca. 1,37 bleiben. Ich gehe allerdings davon aus, dass ich das Papier nicht so lange halten werde. Dazu ist es mir dann doch zu heiß.
Gruß kwifte
Danke für die Info. Bestätigt in etwa meine o.g. Vermutung.
Nachteilig ist dieser Poolfaktor ja nicht – wäre halt nur schön, wenn man es vorher wüsste bzw. irgendwo verlässlich nachlesen könnte.
Ich bin mir zwar (einigermassen) sicher, dass man dies aus den Anleihe- bzw. Umstrukturierungsbedingungen irgendwo heraus lesen kann, aber einfacher wäre eben die simple Angabe des Poolfaktors auf den entsprechenden Börsen-/Handels-Portalen.
Gruß, Der Privatier
Gibt man auf boerse-stuttgart.de die WKN ein, erfährt man auch den Poolfaktor einer Anleihe. Habe dieselbe Erfahrung gemacht wie kwifte, frage mich nun aber, auf welche Summe sich die Zinsen berechnen. Es ist doch ein Unterschied, ob man 7,8% von 1000 (Nominale) oder von 1370 (tatsächlich bezahlter Preis mit Poolfaktor) bekommt. Bekomme ich nun für meine 1370 bezahlten Euro 78 Euro (7,8% von Tausend) Zinsen oder 106,86 (7,8% von 1370)?
Ich glaube, auf diese Frage gibt es keine allgemein gültige Antwort. Ich würde daher empfehlen, sich immer erst einmal vor Augen zu führen, wie der Pool-Faktor zustande gekommen ist.
Wenn wir das Beispiel aus dem obigen Beitrag nehmen (also Teiltilgung von 20%), so heisst das eben, dass der Schuldner bereits 20% der Anleihe zurückgezahlt hat und auf diesen Teil wird er wohl kaum weiterhin Zinsen zahlen wollen (theoretisch alles denkbar, aber unwahrscheinlich). In diesem Falle würde die Formel also lauten:
Zinszahlung = Nominalwert * Poolfaktor * Kupon
In anderen Fällen, in denen der Poolfaktor z.B. dadurch zustande gekommen ist, dass fällige Zinszahlungen nicht erfolgt sind und diese stattdessen mittels Poolfaktor kapitalisiert wurden, wird der Schuldner in der Regel weiterhin nur auf den ursprünglichen Nominalbetrag Zinsen zahlen, nicht jedoch zusätzlich auf die aufgelaufenen Zinsen. Hier müsste mal daher rechnen:
Zinszahlung = Nominalwert * Kupon
In der Praxis sind aber durchaus weitere Konstellationen denkbar. Bei den Argentinien Anleihen war ja wohl auch ein Schuldenschnitt und Umwandlung alte/neue Anleihen involviert. In solchen Fällen müsste man sich jeweils die Vereinbarungen genau ansehen, was dort im Einzelnen vorgesehen ist. Ein konkrete Aussage kann ich hier nicht machen, da ich die Anleihen nicht selber verfolgt habe.
Vielleicht gibt es andere Kommentatoren, die aus eigener Erfahrung berichten können?
Gruß, Der Privatier
Diba zeigt unter „Überblick“ und „Besonderheiten“ den Poolfaktor an.
Ganz herzlichen Dank!
Wenn es so wäre, wäre das toll. Leider kenne ich aktuell nur eine Anleihe, die mit Poolfaktor berechnet wird, nämlich A1ZJZB (3W Power). Dort steht aber leider nichts bei den Besonderheiten. 🙁
Gruß, Der Privatier
onvista.de hat zwar eine Zeile namens „Pool Faktor“, aber bei der A1ZJZB steht da nur „n.a.“, hilft also leider nicht 🙁
Ich habe mir die A1ZJZB mal näher angeschaut:
Briefkurs 3.25 %, Nominal 500, fällig 29.8.2019.
Heißt das, wenn ich nominal 1000 kaufe, kostet mich das 6.50 + Stückzinsen + Spesen (auch 6.50 bei onvista-Bank), und in 1.5 Jahren werden 1000 zurückgezahlt? Kann ich gar nicht glauben.
Aber hier genau wäre der Pool-Faktor interessant…
Der Emittent 3W Power S.A. ist ja auch ein echter Penny Stock: 0,0158 EUR nach finanzen.net/aktien/3w_power-aktie
In der Ad-hoc-Meldung vom 25.1.2018 steht, dass die Gläubigerversammlung der Anleihe dem Restrukturierungskonzept mehrheitlich zugestimmt hat, aber nicht, was in dem Konzept steht…
Weitere Suche: „Der Schuldenschnitt / Verlust ist sogar gestaffelt: 99% für Anleihegläubiger, 99,9% für Wandelanleihegläubiger und 100% für EK-Geber.“
https://forum.finanzen.net/forum/Sind_andere_damit_nicht_bereits_durchgekommen-t503469?search=3w%20power&pnr=23912006#pst_23912006
Ich würde die 3W Power Anleihe mal lieber ganz schnell vergessen. Ich habe die vor einiger Zeit mal gehabt, aber auch schon länger wieder verkauft (mit Verlust).
Ich habe deshalb die letzten Entwicklungen nicht mehr so im Detail verfolgt, aber wie Du schon geschrieben hast, gab es da wohl einen Schuldenschnitt von 99% (oder so ähnlich). Der Rest wird irgendwann in Aktien getauscht, die dann aber von der Börse genommen werden. Irgendwas in dieser Richtung. Wie gesagt: Nicht mehr so genau verfolgt.
Wenn Du etwas lernen willst (und solche Fälle haben ja einen gewissen Unterhaltungswert) findest Du die relevanten Informationen (fast) immer auf den Homepages der entsprechenden Unternehmen. Also in diesem Fall z.B. da Restruktuierungskonzept, dem die Gläubiger zugestimmt haben.
Gruß, Der Privatier
P.S.: Der Pool-Faktor ist der Restrukturierung wahrscheinlich auch zum Opfer gefallen.