Kap. 2.8: Kuriose Folgen einer Formulierung im Kündigungsschreiben
Vor ein paar Wochen hatte ich hier über eine Falle im Zusammenhang mit der exakten Formulierung zur Verschiebung einer Abfindung in das Folgejahr berichtet.
Sicher eher ein Sonderfall, aber durchaus real.
Aber wenn man selber Einfluss auf die Formulierungen des Aufhebungsvertrages hat, sollte man durchaus auch auf solche Details achten.
Aber das gilt nicht nur für Arbeitnehmer – das gilt auch für Arbeitgeber!
Denn heute möchte ich einmal eine amüsante Geschichte erzählen, bei der der Arbeitgeber am Ende ganz schön dumm geguckt haben wird.
=> Ach was? - Progressionsvorbehalt
Mit: Erläuterung des Prinzips und Beispiel
Betriebsbedingte Kündigung
In dem heutigen Fall wurde einem Beschäftigten aus betrieblichen Gründen gekündigt.
Im Vorfeld hatte das Unternehmen sich mit dem Betriebsrat auf einen „Interessenausgleich“ geeinigt, nach dem allen von der Kündigung betroffenen Mitarbeitern eine nach § 1a Abs. 2 KSchG zu berechnende Abfindung in Höhe eines halben Monatsverdienstes für jedes volle Beschäftigungsjahr zustehen sollte.
Im Kündigungsschreiben wurde nun auf diesen Interessenausgleich verwiesen und zusätzlich eine Anmerkung zu einer evtl. Kündigungsschutzklage aufgenommen. Dort hieß es:
„Sie haben die Möglichkeit, sich gegen diese betriebsbedingte Kündigung zu wehren. Das müssen Sie nach dem Kündigungsschutzgesetz innerhalb von drei Wochen ab Zugang der Kündigung tun. Lassen Sie diese Frist verstreichen, ohne eine Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht zu erheben, haben Sie nach § 1a KSchG Anspruch auf Zahlung einer Abfindung in Höhe eines halben Monatsverdienstes für jedes volle Beschäftigungsjahr.“
=> Serie: Steuerplanung
Mit: Grundlagen, Zweck und Mittel, Beispiele
Doppelte Abfindung
Der gekündigte Arbeitnehmer reichte innerhalb der Frist keine Kündigungsschutzklage ein und so zahlte ihm sein ehemaliger Arbeitgeber eine Abfindung gemäß Interessenausgleich i.H.v. 86.300€ brutto aus.
Nachdem der Arbeitnehmer diese Abfindung gemäß Interessenausgleich erhalten hatte, meldete er sich noch einmal bei seinem Arbeitgeber und verlangte dieselbe Abfindung noch einmal aufgrund § 1a KSchG.
Um es kurz zu machen: Der Arbeitnehmer hat über mehrere Instanzen bis zum Bundesarbeitsgericht gewonnen. Er bekommt seine doppelte Abfindung!
Die Begründung ist im Detail umfangreich (nachzulesen z.B. bei den Rechtsanwälten Borgelt & Partner oder ausführlich direkt beim Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19.07.2016, 2 AZR 536/15 ).
Im Kern läuft es aber darauf hinaus, dass der Abfindungsanspruch nach § 1a KSchG nicht durch die bereits erfolgte Zahlung gemäß Sozialplanabfindung erfüllt worden ist. Denn der Arbeitgeber wollte mit seiner ersten Zahlung nur seine Abfindungspflicht aus dem Interessenausgleich erfüllen und nicht die mögliche Forderung aus § 1a KSchG. Diese besteht unabhängig von dem ausgehandelten Interessenausgleich.
Tja… dumm gelaufen. 🙂 🙂
Bei Fragen, Kritik oder Anmerkungen bitte die Kommentarfunktion benutzen.
Darauf muss man als Arbeitnehmer erst mal kommen. Ich wäre wahrscheinlich zu wenig dreist, um diese Nummer abzuziehen… 😉
-Erfolgsmaschine
Bei mir stand auch sowas in der Art im Kündigungsschreiben.. könnte ich mir auch die doppelte Abfindung holen mit Verweis auf dieses Urteil? 😉
Wenn das wirklich ernsthaft in Erwägung gezogen wird, wäre hier dringend die Unterstützung eines Anwalts anzuraten! Der sollte dann zunächst einmal prüfen, inwieweit die Aussage „sowas in der Art“ tatsächlich den im obigen Beitrag beschriebenen Sachverhalt trifft.
Gruß, Der Privatier
Es ist schon erstaunlich, womit man bei manchen Gerichten „durchkommt“ und umgekehrt, wo man das Nachsehen hat. In meinem Falle war die Frage nicht ganz ernst gemeint ;-). Mein „Abschied“ liegt schon 5 Jahre zurück.. Ich konnte mich nur daran erinnern, dass das Thema Kündigungsschutzklage oder Abfindung damals auch thematisiert wurde. Aber grundsätzlich könnte sich jeder, mit ähnlich gelagertem Fall, auf dieses Urteil berufen, richtig?
Wenn es sich nur um einen „ähnlich gelagerten Fall“ handelt, werden die Gerichte das sicher noch einmal sorgfältig prüfen. Darum auch die Empfehlung, einen Anwalt zu konsultieren, der hier einmal prüfen sollte, inwiefern im jeweiligen Fall eine Übereinstimmung vorliegt. Manchmal kommt es auf winzige Details in den Formulierungen an.
Aber: Generell handelt es sich oben um ein Urteil der höchsten Instanz der Arbeitsgerichte und hat daher entsprechendes Gewicht.
Gruß, Der Privatier
und … siehe FA zum §158 SGB III Fachliche Weisung zum ALG1 „Ruhen des Anspruches bei Entlassungsentschädigungen“ Punkt 158.1.3
Abfindungen gem. § 1a KSchG nach Arbeitgeberkündigung sind nach BSG Rechtsprechung keine Entlassungsentschädigungen.
– FW 158.1.3
158.1.3 Leistungen die nicht berücksichtigt werden
Keine EE sind insbesondere
– Abfindungen gem. § 1a KSchG nach Arbeitgeberkündigung
– ….
– ….
Gruß
Lars