Flexirente, Hinzuverdienst, Ungenutzte Rentenpunkte (Teil 1)
Wer sich noch an meinen Beitrag zu meinem Rentenantrag erinnern kann, der wird sich vielleicht auch noch erinnern, dass damals eine Frage nicht befriedigend gelöst werden konnte.
Es geht um das Thema: Vorzeitige Rente mit Abschlag und Hinzuverdienst über der erlaubten Höhe und damit weiterer Abzug. Die Frage in diesem Zusammenhang: Was passiert dann mit den nicht genutzten Rentenpunkten?
Eine Warnung vorab: Die Frage ist schon kompliziert und für die Antwort habe ich drei bis vier Anläufe gebraucht, um das Ganze zu verstehen. Aber jetzt habe ich es zumindest verstanden und da will ich dann auch gerne versuchen, meine Erkenntnisse weiterzugeben. 😉
Weil die Darstellung aber etwas umfangreicher ist, habe ich zwei Beiträge daraus gemacht. Heute im ersten Teil gibt es erst einmal die Fragestellung und im nächsten Beitrag (in der nächsten Woche) dann die Antwort.
Beide Beiträge setzen ein grundlegendes Verständnis für die Rentenberechnung voraus. Wirklich interessant sind die Ausführungen nur für jemand, der neben einer vorgezogenen Rente einen Hinzuverdienst über der Hinzuverdienstgrenze hat.
Die Ausgangssituation: Vorzeitige Rente und Hinzuverdienst
Die Ausgangssituation sieht wie folgt aus: Die Altersrente wird mit Erreichen des 63. Lebensjahres vorzeitig in Anspruch genommen (Altersrente für langjährig Versicherte). Eine solche Rente ist mit einem dauerhaften Abschlag in Höhe von 0,3% für jeden Monat verbunden, für den die Rente vor dem Erreichen der Regelaltersgrenze in Anspruch genommen wird.
Damit wir gleich ein Beispiel haben, nehmen wir einmal meine Zahlen (teilweise manipuliert u./o. gerundet). Mein Abschlag jedenfalls beträgt für 33 Monate genau 9,9%, was einem Zugangsfaktor vom 0,901 entspricht.
Außerdem habe ich durch meine selbstständige Tätigkeit einen Hinzuverdienst. Dieser darf für eine vorgezogene Rente max. 6.300€/Jahr betragen, ohne dass dieser auf die Rente angerechnet würde. Liegt er darüber (wie in meinem Fall), so wird der übersteigende Betrag zu 40% auf die Rente angerechnet. Wir rechnen einmal ein fiktives Beispiel:
Der Hinzuverdienst betrage 8.816€/Jahr (warum ich eine so „krumme“ Zahl gewählt habe, werden wir gleich sehen…). Das sind mehr als 6.300€/Jahr, so dass der übersteigende Betrag von 8.816€-6.300€ = 2.516€/Jahr = 209,67€/Monat auf die Rente angerechnet wird. Aber nur zu 40%. Die Rente reduziert sich also um 209,67€*40% = 83,87€/Monat.
Die Fragestellung: Was passiert mit den nicht genutzten Rentenpunkten?
Manch einer wird wahrscheinlich gar nicht auf den Gedanken kommen, dass bei der obigen Rechnung Rentenpunkte nicht in Anspruch genommen werden.
So richtig klar wird einem das aber vielleicht, wenn man sich einmal vor Augen führt, dass man ja auch freiwillig z.B. nur eine Teilrente von 50% beantragen könnte. In diesem Falle würden dann definitiv nur die Hälfte der Rentenpunkte beansprucht. Die Teilrente hätte dann den erwünschten Nebeneffekt, dass man einen viel höheren Hinzuverdienst haben könnte.
Diese beiden Varianten (freiw. Teilrente mit hohem Hinzuverdienst und normale Vollrente mit Anrechnung des Hinzuverdienstes) müssen aber gleichwertig behandelt werden! D.h. auch bei der Anrechnung eines Hinzuverdienstes auf die Rente bleiben Rentenpunkte ungenutzt und müssen irgendwie später einmal wieder auftauchen. Die Frage ist wann, wo und wie?
Rentenerhöhung im Juli 2018 mit neuem Bescheid
Die Antwort darauf habe ich mit der diesjährigen Rentenerhöhung im Juli bekommen. Dies ist nämlich nicht etwa eine knappe Mitteilung nach dem Motto „Wir freuen uns, Ihre Rente ab 1.7.2018 auf den Betrag x.xxx Euro anheben zu können“ (oder so ähnlich). Nein – es ist ein vollständig neuer Rentenbescheid. Inkl. aller Berechnungen, mit Rentenpunkten, Abschlägen, Hinzuverdienst usw.
Trotz des beachtlichen Umfanges war aber der fragliche Punkt nach den nicht genutzten Rentenpunkten zwar enthalten, aber mit keiner Zeile näher erläutert. Und darum habe ich den Bescheid auch dreimal wieder weggelegt, bis ich mir die Zusammenhänge selber überlegt habe und nun auch verstanden habe.
Dabei ist es gar nicht so schwer und die paar Erläuterungen hätte man gut mal dazu schreiben können!
Aufgrund des oben angenommenen Hinzuverdienstes hat sich also eine Reduzierung der Rente in Höhe von 83,87€/Monat ergeben. Bis einschl. Juni 2018 war dabei ein Rentenpunkt 31,03€ wert und somit entspricht diese Reduzierung einer Anzahl von 83,87€ / 31,03€ = 2,703 Rentenpunkten.
Dies sind die nicht in Anspruch genommenen Rentenpunkte. Da sie nicht in Anspruch genommen wurden, darf aber auch der Abschlag wegen vorzeitiger Inanspruchnahme nicht erfolgen. Bei meinem Zugangsfaktor von 0,901 ergeben sich daher endgültig: 2,703 RP / 0,901 = 3.0 RP
Es sind also ganze drei Rentenpunkte, die bisher nicht in Anspruch genommen wurden (und damit erklärt sich jetzt auch die „krumme“ Summe von oben: Das Ziel waren drei ganze Punkte).
Und was passiert nun mit den Rentenpunkten?
Jetzt, wo wir wissen, wieviele Punkte nicht in Anspruch genommen wurden, stellt sich die Frage, was damit passiert? Nun – das werden wir dann im nächsten Beitrag klären. Für heute soll es erst einmal genug sein. Wer bis hier hin folgen konnte, darf sich schon Rentenexperte nennen. 😉
Denn – das sei hier noch einmal erwähnt: Genau diese Frage nach dem Umgang mit den nicht in Anspruch genommenen Rentenpunkten konnte mir seinerzeit bei meiner Rentenantragstellung nicht beantwortet werden (trotz intensiver Bemühungen mit Telefonaten mit Fachabteilungen und mit Berlin).
Hallo Privatier,
ich bin jetzt schon gespannt auf die Antwort in der nächsten Woche.
Ich bin im Januar mit 61 Jahren in Vollrente gegangen und versuche derzeit, den Gewinn aus meinem Gewerbe unter 6300,- € zu halten.
Vielleicht ergeben sich ja neue Ansätze…
Viele Grüße, Hardy
Danke für das Interesse. Ich muss aber noch um ein wenig Geduld bitten…
Ich werde für ein paar Tage lang nicht dazu kommen, den bereits angefangenen Blog-Beitrag fertig zu stellen. Es wird wohl Ende der nächsten Woche werden.
Bis dahin, Gruß
Der Privatier
Ich rate mal: die gesparten EP/12 werden im Monat nach Erreichen des Regelalters abschlagfrei wirksam, ähnlich wie freiwillig selbstgekaufte via V0060 (das ist nämlich mein Plan, um das zvE im Jahr der Abfindung zu minimieren, und dazu habe ich mich beraten lassen)
Aber die freiwillig selbst gekauften Rentenpunkte werden nicht anders behandelt als die anderen. Also: Bei vorzeitiger Inanspruchnahme ebenfalls mit Abschlag. Bei Hinzuverdienst genau so. Es gibt da keinen Unterschied zwischen freiwilligen und „unfreiwilligen“ 😉 .
Gruß, Der Privatier
„Erhalten Sie eine volle Altersrente vor Erreichen der Regelaltersgrenze oder eine Altersteilrente, können Sie sich ebenfalls freiwillig versichern. Die Beiträge werden allerdings erst nach Erreichen der Regelaltersgrenze berücksichtigt.“
https://www.deutsche-rentenversicherung.de/Allgemein/de/Inhalt/5_Services/03_broschueren_und_mehr/01_broschueren/01_national/freiwillig_rentenversichert_ihre_vorteile.html Seite 5
Dann aber wohl auch abschlagfrei.
Richtig, diese Auskunft habe ich auch von der DRV bekommen.
Ich habe aktuell einen solchen Antrag gestellt (V0060).
Viele Grüße, Hardy
Okay, suchenwi – da hast Du Recht.
Die Variante, dass man auch als Rentner noch weitere Beiträge zur Rentenversicherung beisteuern kann, hatte ich nicht berücksichtigt.
Gruß, Der Privatier
Es gibt den Unterschied zwischen freiwilligen Beiträgen über V0210 (Abschlagsminderung) und V0060. Erstere sind sofort (oder, wenn schon in Rente, ab nächstem Rentenmonat) wirksam, letztere erst ab Regelaltersgrenze.
Ich diversifiziere, und nutze beide…. ;^)
Obergrenze ist immer die für Sonderausgaben Altersvorsorge, also der Höchstbeitrag Knappschaft. Ich plane, V0210 dafür bis 2020 voll auszuschöpfen, und dann mit V0060 nachzulegen (bis Ende März 2020 auch rückwirkend für 2019), so dass ich in 1 Jahr 17 RV-max.Monatsbeiträge freiwillig einzahle.
Das sollte das zvE 2020 wohl recht nahe an 0 bringen.. (gut für Fünftelregelung).
Passt gerade gut hierher, bzgl. „Rentenakrobatik“:
Bitte auch immer die leichte Einschränkung lt. & 187 a SGB, Abs. 1, Satz 3 beachten.
Falls man beabsichtigt, die Ausgleichszahlungen nach V0210 “ haeppchenweise“ (ueber mehrere Jahre)einzusetzen….
V0060 geht natürlich immer und auch parallel zu Ausgleich RM,bzw. darüberhinaus.
Die Entscheidung, welche Altersrente man waehlt, kann sich bei geänderten Rahmenbedingungen (persönlichen, gesetzlichen) ja auch noch aendern.
Manchmal ist er eben doch ganz „geschickt“, unser Gesetzgeber-sonst koennte man ja mit etwas Planung alle 3 Rentenarten nacheinander abklappern.
Gruesse
ratatosk
§ 187a SGB VI Abs.1 Satz 3 ist wohl dieser:
„Eine Ausgleichszahlung auf Grundlage einer entsprechenden Auskunft ist ab dem Zeitpunkt nicht mehr zulässig, ab dem Versicherte die Rente wegen Alters, für die die Auskunft erteilt worden ist, nicht beansprucht haben oder ab dem eine Rente wegen Alters ohne Rentenminderungen bezogen werden kann.“
https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_6/__187a.html
Merkwürdige Sprache… der Zeitpunkt, ab dem man die Rente nicht
beansprucht hat…
Ich versuche das mal mit meinen Falldaten zu veranschaulichen:
Im V0210 habe ich angegeben, dass ich zum 1.8.2019 (63 geworden) die Rente für langjährig Versicherte beantragen will.
Das ist nicht bindend, aber: wenn ich das doch nicht tue, ist ab diesem Zeitpunkt keine (Rest-)Ausgleichszahlung mehr zulässig.
Guter Hinweis, danke! Ein weiterer Grund gegen die erwogene Verschiebung des Anfangstermins auf 1.9., denn bei voller Nutzung des Deckels für Sonderaufwand Altersvorsorge in 2018 und 2019 bleiben mir noch ca. 3k€ „Rest“, die ich 2020 einzahlen will. Hätte halt früher anfangen sollen… 🙂
@ suchenwi
Genau, solche „Frickeligkeiten“ waren gemeint.
Ich hatte mich zuerst auch,-rein vom (Un-)Verständnis her- an:
„..oder ab dem eine Rente wegen Alters ohne Rentenminderungen bezogen werden KANN.“ festgebissen.
Weil, wenn die Rente mit Abschlaegen in Anspruch genommen WIRD, kann ja anschließend weder die abschlagsfreie Rente für bes. langjhrg. Vers., noch die Regelaltersrente beansprucht werden.
Wozu also dieser Halbsatz ?
Nun ja, aus welchen Gruenden auch immer, könnte man ja den Renteneintritt, für den die „besondere Rentenauskunft“ beantragt wird, ZWISCHEN den beiden Terminen für die Renten ohne Abschlag platzieren.
Und DA soll dann eben auch bei der ersten abschlagsfreien Rente Schluss sein mit V0210…
Obwohl…wenn man die abschlagsfreie Rente für bes. langjhr. Versicherte gar nicht erreichen KANN (wg. Alg1-Bezug, oder rechtzeitig aufgehoert mit V0060) geht’s wieder.
Behufs welchen Zweckes, keine Ahnung!
Jedenfalls hat sich bei der Ausformulierung des Satzes jemand richtig Gedanken gemacht…
Gruesse
ratatosk
Sehr gut erklärt. Das wusste ich noch nicht. Das gibt mir ganz neue Möglichkeiten für meine Planung als Privatier 😉
Allerdings verstehe ich nie, wieso man nie jemaden in den Ämtern erreicht, der/die einem das mal vernünftig erklären kann. Denn irgendjemand MUSS es doch geben. Irgendjemand MUSS doch diese Formel programmiert haben, so dass diese Beträge auf dem Rentenbescheid erscheinen. Jedoch scheint sonst keiner in den Stuben den Aufbau der Formeln zu kennen.
Ist leider eine Erfahrung, die man auch in anderen Bereichen immer wieder machen muss. Allerdings muss man im obigen Fall auch einräumen, dass es sich dabei sicher um ein Randthema handelt, was nicht viele betrifft und oftmals auch nur minimale Auswirkungen hat. Von daher wird eine detaillierte Kenntnis der Materie womöglich als überflüssig erachtet.
Gruß, Der Privatier