KV-Beiträge auf Pensionskassen-Renten teilweise verfassungswidrig
Und schon wieder kann ich hier von einem erfreulichen Urteil berichten, welches kürzlich vom Bundesverfassungsgericht veröffentlicht wurde.
Das Urteil (1 BvR 100/15, 1 BvR 249/15) wurde erst kürzlich (am 4.Sept.2018) per Pressemitteilung veröffentlicht. Der Beschluss stammt bereits vom 27.Juni 2018.
Zu klären hatte das BVerfG die Frage, ob die derzeitige Vorgehensweise der Einbeziehung von Renten aus Pensionskassen bei der Berechnung von Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung der Rentner auch dann zulässig ist, wenn die Renten-Beiträge in der Einzahlungsphase zeitweise ausschließlich vom Arbeitnehmer finanziert worden sind.
Die Kernaussage des BVerfG-Urteils lautet:
„Rentenzahlungen von Pensionskassen sind unter bestimmten Voraussetzungen in der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung nicht beitragspflichtig.“
=> Alles im Rahmen
Mit: Anwartschaftszeit, Rahmenfrist, Bemessungsrahmen,
Hintergrund und Sachverhalt
In der gesetzlichen Krankenversicherung der Rentner (KVdR) werden nicht nur die Zahlungen aus der gesetzlichen Rente zur Beitragsberechnung herangezogen, sondern ebenso auch Renten aus einer betrieblichen Altersvorsorge (sog. Versorgungsbezüge).
Eine insbesondere in großen Industrieunternehmen häufig anzutreffende Gestaltung dieser betrieblichen Altersvorsorge ist die Versicherung bei einer als Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit ausgestalteten Pensionskasse.
Dabei werden in der Regel sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber Versicherungsnehmer und Mitglied im Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit. Scheidet der Arbeitnehmer aber nun aus dem Unternehmen aus, so erlauben die Satzungen in der Regel, dass die Versicherung vom Arbeitnehmer freiwillig fortgesetzt werden kann. Die Beiträge werden dann ausschließlich nur noch vom Arbeitnehmer getragen.
Nach der bisherigen Praxis war es nun so, dass die gesamte Rentenzahlung einer solchen Pensionskasse zur Beitragsberechnung der Krankenkassenbeiträge in der KVdR herangezogen wurden.
Dies hat das BVerfG nun für diejenigen Anteile, die ohne Leistungen eines Arbeitgebers geleistet wurden, für nicht zulässig erklärt.
Die Begründung
Zur Begründung wurde im Wesentlichen angeführt, dass durch die bisherige Praxis eine Ungleichbehandlung zwischen der Beitragspflicht bei Leistungen einer Pensionskasse in den o.g. Fällen und einer beitragsfreien Leistung aus einer bereits anfänglich privaten Lebensversicherung vorliege.
Die bisherige Praxis, lediglich anhand der auszahlenden Institution eine Unterscheidung zwischen privater und betrieblicher Altersvorsorge vorzunehmen, hält das BVerfG für nicht zulässig. Entscheidend ist hingegen, ob der Versicherte nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses den institutionellen Rahmen des Betriebsrentenrechts weiterhin unverändert nutzt oder den Vertrag aus dem betrieblichen Bezug löst.
Das BVerfG sieht nun in der Tatsache, dass der Versicherungsvertrag mit einer Pensionskasse ohne Beteiligung des Arbeitgebers weitergeführt wird, den institutionellen Rahmen des Betriebsrentenrechts verlassen. Damit unterscheiden sich Einzahlungen des Versicherten auf diesen Vertragsteil nur unwesentlich von Einzahlungen auf privat abgeschlossene Lebensversicherungsverträge und von daher ist eine unterschiedliche Behandlung bei der Beitragspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung nicht gerechtfertigt.
=> Regelaltersrente - Übergangsregel
Tabelle für betroffene Jahrgänge, weitere Links
Was ist zu tun?
Wer bereits seit Jahren eine Rente einer Pensionskasse erhält und diese in der Vergangenheit zeitweise ausschließlich aus eigenen Beiträgen finanziert hat, sollte umgehend von seiner Pensionskasse eine neue Berechnung der Krankenkassenbeiträge einfordern. Besondere Eile ist für Fälle geboten, in denen eine solche Rente bereits seit mehr als vier Jahren bezogen wird. Gemäß §27 Abs. 2 SGB IV können Erstattungsansprüche nämlich nur bis zu vier Jahren rückwirkend geltend gemacht werden! Mit jedem Monat, den man hier untätig verstreichen lässt, verfällt der Anspruch für ebenfalls einen Monat aufgrund der Verjährung.
Noch mehr Urteile…
Ein ähnliches Urteil des Bundesverfassungsgerichts hat es bereits im Jahr 2010 für Betriebsrentner gegeben, die eine betriebliche Rentenversicherung in Form einer Direktversicherung privat weiter geführt hatten (BvR 1660/08). Mit dem jetzt veröffentlichten Urteil sind nun Betriebsrentner, die ihre Bezüge aus Direktversicherungen oder Pensionskassen erhalten, rechtlich gleichgestellt.
Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht auch in einem ebenfalls am 4.Sept.2018 veröffentlichten Urteil (1 BvL 2/18) klargestellt, dass „Die Beitragspflicht für Versorgungsbezüge in der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung verfassungsgemäß ist.“
Fazit: Generell sind Krankenkassenbeiträge auf betriebliche Renten mit der Verfassung vereinbar. In den Fällen, in denen ein Arbeitnehmer eine ursprünglich vom Unternehmen vereinbarte Betriebsrente im Rahmen einer Direktversicherung oder einer Pensionskasse privat und ohne Beteiligung eines Arbeitgebers weitergeführt hat, dürfen auf diese Anteile keine Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung erhoben werden.
Bei Fragen, Kritik oder Anmerkungen bitte die Kommentarfunktion benutzen.
Im oben beschriebenen Fall bin/war ich auch selber betroffen, da einer meiner Betriebsrenten ebenfalls über eine Pensionskasse läuft.
Inzwischen hat die Pensionskasse die versicherungspflichtigen Bezüge rückwirkend neu berechnet, da ich einen Teil meiner Beiträge (nach dem Ausscheiden aus dem Unternehmen) weiter und vollständig auf eigene Rechnung weiter eingezahlt habe.
Gerade heute habe ich dann auch eine entsprechende Mitteilung meiner Krankenkasse bekommen, die auf Basis dieser geänderten Bezüge die KV/PV-Beiträge ebenfalls rückwirkend angepasst hat und eine Rückzahlung bzw. Verrechung mit laufenden Beiträgen angekündigt hat.
Bei mir war das Ganze nicht so furchtbar eilig, da ich meinen ersten Rentenbezug von der Pensionskasse erst im Jahre 2016 hatte. Für diejenigen, die bereits länger eine solche Rente beziehen, möchte ich hier noch einmal daran erinnern, dass ein Anspruch auf eine Neuberechnung maximal vier Jahre rückwirkend gilt (s. Beitrag oben)!
Gruß, Der Privatier
@Privatier,
kannst du bitte die Kommentarfunktion im Kapitel 7.4 Betriebliche Altersvorsorge (bAV) freischalten? Ich würde dann einen Link zum BFM-Schreiben vom 18.03.2022 einstellen.
Gruß
Lars
Ist erledigt. Ich weiß auch nicht, warum die abgeschaltet war… Keine Ahnung.
Gruß, Der Privatier