Top oder Flop – Folge 15: Faktor-Zertikate
Ich habe schon lange nichts Negatives mehr über die Prozentrechnung berichtet, oder?
Stimmt – dann wird es mal wieder Zeit !
Zumal wir ja in den vergangenen Beiträgen zum Thema „Prozentrechnung“ schon die Gelegenheit hatten, uns ein wenig in die Merkwürdigkeiten (z.B. Arbeitszeitverkürzung, Kursverluste/-Gewinne oder Prozentual/Absolut) einzuarbeiten.
Damit sind wir heute also bestens vorbereitet, um den fortgeschrittenen Kurs zu beginnen.
Es geht um Faktor-Zertifikate.
Für alle, die mit dem Begriff nichts anfangen können, eine kurze und grobe Vorstellung der Funktionsweise:
=> Teilerlass der Kirchensteuer beantragen
Mit: Vorgehensweise und Fallstricke
Was ist ein Zertifikat? Ganz allgemein ist ein Zertifikat ein strukturiertes Finanzprodukt, das von Banken emittiert und vorwiegend an Privatkunden verkauft wird, um diesen die Möglichkeit zu bieten, komplexe Anlagestrategien zu verfolgen oder in verschiedene Anlageklassen zu investieren. Ein Beispiel: Ein DAX-Index-Zertifikat ermöglicht es einem Anleger, an der Entwicklung des DAX teilzuhaben.
Was ist ein Faktor-Zertifikat? Während der Sinn eines „normalen“ Index-Zertifikates darin liegt, den zugrunde liegenden Index möglichst 1:1 abzubilden, haben die Faktor-Zertifikate einen Multiplikator eingebaut. So gibt es z.B. auf den DAX-Index Zertifikate mit den Faktoren 2, 4 oder auch 8. Dies hat für den Anleger zur Folge, dass sein Zertifikat sich jeweils um den Faktor stärker bewegt als die Basis. Beispiel: Steigt der DAX an einem Tag um 1%, so steigt ein Faktor-4-Long Zertifikat um 4%. Fällt der DAX um 1%, so fällt das Zertifikat ebenfalls um 4%.
Dabei gibt es die gerade beschrieben Long-Versionen, aber auch entsprechende Short-Versionen. Wer z.B. sein Depot gegen Kursverluste absichern möchte, kann dies mit Short-Zertifikaten machen. Diese entwickeln sich dann umgekehrt. Fällt der DAX, steigt das Zertifikat. Bei einem Faktor-Zertifikat überproportional.
Eigentlich eine ganz einfache Konstruktion und leicht zu verstehen. Und sie bietet einen großen Vorteil: Man kann mit einem relativ geringen Einsatz eine große Summe gewinnen (oder verlieren).
=> Regelaltersrente - Übergangsregel
Tabelle für betroffene Jahrgänge, weitere Links
Aber ich würde hier keinen Beitrag darüber schreiben, wenn es da nicht ein Problem geben würde. Abgesehen davon, dass man ganz schnell eine Menge Geld verlieren kann, wenn man auf die falsche Richtung gesetzt hat (denn dann geht es mit dem gewählten Faktor 2, 4 oder 8 dann eben in die Miesen), gibt es nämlich von unerwarteter Seite noch ein weiteres Problem.
Und das haben wir schon so ähnlich in dem Beitrag über Kurs-Verluste und -Gewinne kennengelernt. Dort hatten wir gesehen, dass ein Kursverlust von 10% und ein anschließender Gewinn von ebenfalls 10% leider am Ende trotzdem mit einem Verlust endet.
Aber was hat nun das Faktor-Zertifikat damit zu tun?
Aus dem oben zitierten Beitrag haben wir ja gelernt, dass man nach einem 10%igen Verlust schon einen 11,1%igen Gewinn benötigt, um wieder bei Plus/Minus Null zu landen. Das wissen wir nun, haben es akzeptiert und verstanden. Und mit einem Faktor-Zertifikat geht das Ganze dann eben mit dem entsprechenden Faktor: 20% runter und 22,2% wieder rauf. Fertig. Und wir sind wieder bei Null.
=> Abfindung und Ruhezeit (1)
Mit: Grundlagen, Dauer und Folgen einer Ruhezeit
Eben nicht !
Fällt ein Index vom Stand 100 um 10%, erreicht er den Wert 90.
Steigt er von 90 dann wieder um 11,1%, steht er wieder bei 100.
Fällt aber ein Faktor-2-Zertikat (welches der Einfachheit halber ebenfalls den Wert 100 haben soll) um 20%, so erreicht es den Wert von 80.
Steigt das Zertifikat von 80 aus wieder um 22,2%, so steht es aber nur auf 97,8 !
Es bleibt ein Verlust – obwohl der zugrunde liegende Index wieder denselben Stand erreicht hat.
Und passiert das nun ein paar Tage hintereinander, so schmilzt das Zertifikat immer mehr zusammen, während die Basis am Ende immer wieder den Ursprungszustand erreicht.
Nun fällt so ein Index natürlich selten um 10% an einem Tag. Insofern ist der Effekt in der Realität auch meistens geringer. Er summiert sich aber von Tag zu Tag, an dem der Index auf und ab geht. Und bei höheren Faktoren (4 oder 8) ist der Effekt natürlich auch sehr viel deutlicher ausgeprägt.
Und dabei ist es übrigens auch egal, ob der Index (wie oben beschrieben) erst verliert und dann wieder gewinnt, oder ob es andersherum abläuft. Auch wenn der Index erst zulegt, dann aber wieder zurückfällt. Der Zertifikate-Inhaber bleibt auf einem Verlust sitzen!
Bis hierhin würde mein Fazit daher lauten: Faktor-Zertifikate sind ein Flop.
Ich möchte aber nicht unterschlagen, dass es auch Situationen gibt, in denen Faktor-Zertifikate noch besser abschneiden, als sie es durch ihren Faktor ohnehin schon tun. Nämlich in stabilen Trends. Geht es mit den Index immer schön nach oben, so erhält der Zertifikate-Inhaber am Ende mehr, als man es vom Faktor her erwarten dürfte. Steigt z.B. der Index an 10 aufeinander folgenden Tagen um jeweils 1%, so hat er am Ende von 100 auf 110,5 zugelegt. Ein Faktor*4 Zertifikat sollte, wenn man nur den Faktor nimmt, mindestens 10,5*4= 42 mehr wert sein. Tatsächlich hat es aber einen Wert von 148.
Insofern ist ein Faktor-Zertifikat nicht grundsätzlich schlecht. Man sollte nur (wie immer, wenn Prozente im Spiel sind) vorsichtig sein und genau wissen, mit welchen Auswirkungen man zu rechnen hat.
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