Ach was? – Steuern bei Kapitalzahlungen laut Insolvenzplan
Eigentlich sollte an dieser Stelle heute der zweite Teil meiner Erfahrungen mit dem Optionshandel erscheinen. Ich bitte deshalb die beiden Leser, die dieses Thema interessiert, um Entschuldigung!
Das wird auf jeden Fall nachgeholt, aber ich möchte vorab etwas erläutern, was womöglich bei anderen Betroffenen eine baldige Entscheidung und Handlung erfordern könnte (da können die Optionserfahrungen mal etwas warten…).
Ich muss nämlich heute noch einmal auf das Thema Insolvenz zurückkommen. Der eine oder andere Leser wird es vielleicht mitbekommen haben: Ich habe mit dem Kauf von KTG-Agrar Anleihen eine ziemliche Niete gezogen!
Für diejenigen, die es bisher nicht gelesen haben, hier noch einmal kurz zusammengefasst: Ich hatte in meinem Depot einige Stücke der KTG-Agrar Anleihe (A1H3VN), die ich zudem bei nachlassenden Kursen auch noch zweimal aufgestockt habe. Wenige Zeit nach der letzten Aufstockung hat dann KTG-Agrar Insolvenz angemeldet. Näheres und weitere Details habe ich in meinem Beitrag „Top oder Flop: KTG Agrar Anleihe“ bereits erläutert.
Die Insolvenz von KTG-Agrar soll heute aber nicht noch einmal das Thema sein, aber sie ist der Auslöser für den heutigen Beitrag, in dem es ganz allgemein um die Folgen einer Insolvenz gehen soll.
Denn KTG-Agrar ist ja nun leider nicht das einzige Unternehmen, welches in den letzten Jahren Insolvenz anmelden musste und wird vermutlich auch nicht das letzte sein. Wenn ich nur einmal diejenigen Firmen herausgreife, die auch Anleihen emittiert hatten und zudem noch einigermaßen Bekanntheitsgrad erreicht haben, so fallen mir spontan ein:
Scholz AG, German Pellets, Windreich, Steilmann-Boecker und Deutsche Forfait.
Aber es geht mir auch nicht darum, vor den Mittelstandsanleihen zu warnen. Das wäre vielleicht durchaus berechtigt, aber wer sich dafür interessiert, kann das einmal in einem Beitrag der WELT nachlesen.
Mir geht es heute um die steuerlichen Folgen!
=> Teilerlass der Kirchensteuer beantragen
Mit: Vorgehensweise und Fallstricke
Die steuerlichen Folgen
Und diese steuerlichen Folgen sind ja jedem, der sich ein wenig mit Steuern auskennt, sofort klar: Der Verlust ist zwar bitter (wie bei jedem Verlust, den man mit Kapitalanlagen erleidet), kann aber zumindest mit den hoffentlich ebenso vorhandenen Gewinnen aus anderen Kapitalerträgen verrechnet werden. So dass zumindest der kleine Trost der Steuerersparnis der ansonsten fälligen Steuern bleibt. Und das sind ja immerhin auch noch 25% (zzgl. Soli und KiSt). Und für alle, die gar nicht so hohe Gewinne haben, gibt es dann eben den Verlustvortrag und man kann sich noch Jahre später über die Steuerfreiheit freuen…
Ist doch so – oder?
NEIN !! Ist eben nicht so!
Für mich kaum zu glauben und ich will es auch gerne zugeben, dass ich das soeben erst gelernt habe: (Teil-)Kapitalauszahlungen im Rahmen eines Insolvenzplanes sind „persönliches Pech“!
Oder, um es einmal etwas formeller auszudrücken: „Der nicht zurückgezahlte Teil des Nennwertes ist als schlichter Forderungsausfall zu würdigen und einkommensteuerrechtlich unbeachtlich.“
Oder – auch „nett“ formuliert: „Es handelt sich um ein Veräußerungsgeschäft i. S. des § 20 Absatz 2 Satz 1 Nummer 7 EStG mit dem Veräußerungsgewinn 0 €.“
Glaubt Ihr nicht? Ich auch nicht. Kann man aber nachlesen. In den „Einzelfragen zur Abgeltungsteuer;
Neuveröffentlichung des BMF-Schreibens vom 18.Jan.2016, Rz. 60a“ (GZ: IV C 1 – S 2252/08/10004 :017, DOK: 2015/0468306).
Damit das nun nicht jeder heraussuchen muss, hier der relevante Auszug:
Rz. 60a: (Teil-) Kapitalauszahlungen im Rahmen eines Insolvenzplanes
Zahlungen auf der Grundlage eines Insolvenzplanes stellen, wenn sie niedriger als der Nennwert der Forderung sind, in ihrer Eigenschaft als Teilkapitalrückzahlungskomponente ein Veräußerungsgeschäft i. S. des § 20 Absatz 2 Satz 1 Nummer 7 EStG mit dem Veräußerungsgewinn 0 € dar, wenn die Forderung zum Nennwert erworben worden ist. Der nicht zurückgezahlte Teil des Nennwertes ist als schlichter Forderungsausfall zu würdigen und einkommensteuerrechtlich unbeachtlich.
Beispiel:
Der Nennwert einer Anleihe beträgt 1.000 €. Auf Grundlage des Insolvenzplanes wurde dem Steuerpflichtigen A 20 % des Nennwerts (200 €) zurückgezahlt. Der Steuerpflichtige hat die Anleihe zum Nennwert erworben.
Lösung:
Hinsichtlich der Teilrückzahlung von 20 % des Nennwerts liegt ein Veräußerungsgeschäft i. S. des § 20 Absatz 2 Satz 1 Nummer 7 EStG vor. Der Veräußerungsgewinn beträgt 0 € (Rückzahlung in Höhe von 200 € abzgl. anteiliger Anschaffungskosten in Höhe von 200 €). Der nicht zurückgezahlte Teil des Nennwerts in Höhe von 800 € (80 %) ist als schlichter Forderungsausfall zu werten und einkommensteuerrechtlich unbeachtlich.
=> Vorauszahlung von Krankenkassenbeiträgen
Drei Jahre im Voraus zahlen, vollständig steuerwirksam
Da bin ich platt!
Ich muss sagen: Das haut mich echt vom Hocker und verträgt sich überhaupt nicht mit meinem (in der Regel ganz gut ausgeprägtem) Rechtsempfinden. Da kann doch wohl was nicht stimmen!
Ich bin allerdings auch etwas irritiert über die Formulierung „…wenn die Forderung zum Nennwert erworben worden ist.“ Was soll denn das nun wieder heißen? Wer kauft schon eine Anleihe zum Nennwert? Und wo bitte ist denn da der Unterschied, ob ich nun zu 100,0% gekauft habe, zu 99,8% oder 102,1%?
Das ist doch alles Schwachsinn, oder?
Und was bitte ist denn, wenn ich heute z.B. eine KTG-Agrar Anleihe zu einem Kurs von 6,5% kaufe und der Insolvenzverwalter findet doch noch ein paar verwertbare stille Reserven und die Quote beträgt nach Abschluss des Insolvenzverfahrens vielleicht 35% (man wird ja mal träumen dürfen..)?
Was dann? Ist es dann auch ein „Veräußerungsgeschäft mit dem Veräußerungsgewinn 0 €.“ ? Ganz sicher nicht, denn dann möchte das Finanzamt bestimmt an dem Gewinn teilhaben. Außerdem wäre das ja eine zu deutliche Einladung an alle Zocker.
Es gibt wohl auch bereits ein anhängiges Revisions-Verfahren vor dem BFH (Az. VIII R 13/15), allerdings ist dieser Fall noch nicht entschieden. Außerdem handelt es sich dabei wohl auch um einen Totalausfall, ist daher womöglich nicht zu vergleichen.
Konsequenz und Fazit
Für mich gibt es eigentlich nur eine einzige Konsequenz: Die Hoffnung möglichst bald begraben und den Schrott verkaufen! Viel mehr als bei einem „normalen“ Verkauf wird es wohl auch nach Abschluss der Insolvenz nicht geben. Und mit dem Verkauf ist zumindest der Steuereffekt noch gerettet.
Fazit: Ich halte das deutsche Steuersystem zwar für unglaublich (und unnötig) kompliziert, aber es erschien mir doch bisher weitgehend sinnvoll und konsistent zu sein. Aber diese Regelung? Entbehrt jeder Logik!
Ach ja – und bevor ich es vergesse: Was ich oben geschrieben habe, ist alles, was ich zu dem Thema weiß! Und ich möchte die Erkenntnisse nur weitergeben. Vielleicht findet sich ja ein Leser, der dies bei ähnlichen, zurückliegenden Fällen schon einmal mitgemacht hat und der hier von seinen Erfahrungen berichten kann.
Nachtrag: Siehe Kommentar
Bei Fragen, Kritik oder Anmerkungen bitte die Kommentarfunktion benutzen.
Ganz ähnlichen Blödsinn hat das Ministerium auch zum Thema Optionen Ende 2014 durchgezogen. Ein Teil ist schon von dem Gerichten kassiert worden. Jetzt hat man die Rennerei, da das FA trotz der Urteile den Verlust ohne neue Bescheinigung der Bank nicht anerkennt. Ich habe mehr und mehr den Eindruck, dass im Ministerium was ins Essen gemacht wird!
Ja – genau dieses Urteil zur Behandlung von verfallenen Optionen gibt mir ein wenig Hoffnung, dass der BFH die Ansichten des Finanzministeriums auch im Falle von Teilrückzahlungen bei Insolvenz nicht teilen wird und diese Regelung letztlich wieder kippen wird.
Ich habe das allerdings bei Optionen (und sämtlichen anderen Derivaten) immer so gehalten, dass ich diese vor dem Verfall verkauft habe, um erst gar keine Probleme zu bekommen. Und so werde ich es jetzt nach meinen neuen Erkenntnissen auch bei KTG Agrar machen. Allerdings erst nach einem Depot-Transfer…
In diesem Zusammenhang hätte ich eigentlich einmal recherchieren können, ob es auch machbar ist, einen entgeltlichen Transfer bei identischen Depotinhabern durchführen zu können? Na, egal – zu spät. Der Transfer ist schon unterwegs.
Gruß, Der Privatier
Entgeltlicher Transfer bei identischen Depotinhabern hat mir mein x-Broker vor einigen Jahren abgelehnt, Namens- und Adressübereinstimmung reichten ihm als Indiz aus. Seitdem suche ich im Kreis meines Börsenstammtisches einen Partner, mit dem ich die Bestände dieser Papiere tausche. Falls kein anderer die nämlichen Papiere im Bestand hat, verleihe ich die Papiere für eine Woche an eine vertrauenswürdige Person. lt Rz 170 des o.g. BMF-Schreibens löst dies eine Steuerpflicht aus.
Ich hatte es schon fast vermutet, dass ein entgeltlicher Transfer bei identischen Depotinhabern nicht möglich ist 🙁
Danke für Deine Erfahrungen und Hinweise.
Im Zweifel bleibt dann natürlich immer noch ein „echter“ Verkauf und ggfs. Rückkauf. Habe ich übrigens auch schon gemacht und mit einem bisschen Glück, Geduld und Geschick beim Timing kann man zumindest die Transaktionskosten wieder ausgleichen.
Gruß, Der Privatier
Irgendwo trotzdem logisch. Eine Anleihe ist im Prinzip ein Kredit, wenn dieser ausfällt Pech gehabt. Wenn ich meinem Nachbarn Geld leihe und es ist futsch, interessiert es das Finanzamt auch nicht. Als gewerblicher Geldverleiher kann ich den Verlust auch geltend machen.
Ähnlich dürfte es den beliebten Kleinkrediten gehen (Auxmoney etc.), hier leiht man auch von privat an privat. Verluste? Pech gehabt! Zinsen? Steuer her!
Tja, so ist da in Deutschland.
Es tut mir leid, aber für mich bleibt es trotzdem unlogisch!
Bei Anleihen handelt es sich ganz zweifelsfrei um Kapitalvermögen. Und somit ist es völlig in Ordnung, dass positive Einkünfte der Steuer unterliegen. Und Verluste mit anderen positiven Kapitalerträgen verrechnet werden können. Was ja auch bei einem „normalen“ Verkauf genau so gehandhabt wird.
Wo ist denn der Unterschied, ob ich eine „Pleite“-Anleihe heute für 5% verkaufe (und den Verlust steuerlich nutzen kann), oder ob ich nach Abwicklung des Insolvenzverfahrens eine Rückzahlungsquote von 5% erhalte (und meinen Verlust in den Kamin schreiben kann)?
Nee, nee – da stimmt was nicht! Wo ich das jetzt gerade schreibe, bin ich mir nicht mal sicher, ob die oben zitierte Anweisung des Finanzministeriums überhaupt eine gesetzliche Grundlage hat? Ich wage das ernsthaft zu bezweifeln! Und schließlich kann sich auch ein Ministerium nicht einfach irgendwelche Regeln schaffen.
Wenn es nicht schon ein anhängiges Verfahren vor dem BFH geben würde, wäre es Zeit, eines in die Wege zu leiten!
Gruß, Der Privatier
Das ist auch der Grund warum ich „Insolvenz“ gedanklich immer gleich übersetze zu „weg damit“. Wenigstens noch den steuerlichen Verlust retten.
Wobei ich zumindest bei KTG Agrar zum Glück noch vor der Inso raus gekommen bin – das Rumgetue und Hingehalte der Verantwortlichen dort war mir einfach zu doof und schon nicht mehr geheuer.
Habe auch schon von einigen gelesen die in solchen Fällen wo sie eigentlich nicht verkaufen sondern die Insolvenz abwarten wollen, einfach mal verkaufen und dann wieder kaufen. Damit wäre der steuerliche Verlust dann auch erst mal gesichert (zumindest bis runter zum Verkaufskurs).
Tja – im Nachhinein wäre es sicher klüger gewesen, direkt bei den ersten Anzeichen zu verkaufen. Leider weiß man das immer erst hinterher…
Wer eigentlich dabei bleiben möchte, um das Ergebnis der Insolvenz abzuwarten, kann sicher den von Dir genannten Weg (Verkauf und erneuter Kauf) wählen.
Den ersten Teil dieser Strategie werde ich jetzt auch jeden Fall umsetzen (einen kleinen Teil habe ich bereits), den größeren Verlust möchte ich gerne in einem anderen Depot realisieren. Von daher muss ich noch ein wenig warten.
Ob ich allerdings danach noch einmal kaufen werde, muss ich mir noch einmal in Ruhe überlegen…
Gruß, Der Privatier
Hallo zusammen,
interessanterweise wähnte ich mich mit meinem KTG Agrar-Fehlschlag ja nahezu allein. Bis die Insolvenz bekannt wurde.
Seitdem zeigt sich doch, dass viele Value-Investoren auf den Laden ‚reingefallen sind.
In meinem Fall war es nicht die Anleihe sondern die Aktie. Und glücklicherweise habe ich schon bei 25% die Notbremse gezogen. Aber auch 25% sind ein schwerer Schlag ins Kontor.
Ich könnte mir vorstellen, dass im Rahmen des InsoVerfahrens noch Dinge herauskommen, die erklären, warum so viele Value-Investoren hier daneben gelegen haben. Aber warten wir mal ab.
Leider habe ich die Biographie von Herrn Hofreiter zu spät recherchiert gehabt.
Naja, hinterher ist man immer schlauer…
Der Umstand mit der nicht möglichen steuerlchen Verrechnung war mir bisher auch nicht bekannt. Danke dafür übrigens. Richtig logisch finde ich ihn auch nicht, hanebüchen begründbar allerdings schon. Und als Jurist muss ich sagen: Im deutschen Steuerrecht reicht eine hanebüchene Begründbarkeit oftmals schon aus.
Mit den besten Grüßen
Oliver
Ich bin mir zwar nicht so 100% sicher, ob ich das richtig verstanden habe, aber die im Beitrag zitierte Regelung bezieht sich meiner Meinung nach nur auf Anleihen! Also nicht auf Aktien.
Ob es wirklich so ist und wenn ja, warum oder warum nicht… keine Ahnung!
Aber sicher gibt es auch dafür eine hanebüchene Begründung 😉 (schönes Wort!)
Gruß, Der Privatier
Hallo Privatier,
ja, dass die von dir beschriebene Regelung nur auf Anleihen und Zertifikate Anwendung findet, war mir bekannt.
Dennoch danke für deine Rückmeldung.
Viele Grüße
Oliver
Wie passt denn die Regelung für Anleihen mit der Regelung für Aktien zusammen, bei denen man den Verlust durch Insolvenz sehr wohl steuerlich realisieren kann? Siehe folgendes Urteil:
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 12.5.2015 (Az. IX R 57/13) entschieden, dass eine Veräußerung im Sinne des Einkommensteuerrechts auch dann vorliegt, wenn eine Aktie auf der Grundlage eines Insolvenzplanverfahrens eingezogen wird.
Gruß,
Florian
Ich habe ja im obigen Beitrag schon deutlich gemacht, dass sich mir die Logik in dieser Regelung nicht erschließt.
Allerdings sind ja nun Anleihen und Aktien durchaus sehr verschieden. Während der Aktionär ja am Unternehmen beteiligt ist (es gehört im quasi), hat der Besitzer von Anleihen ja nur eine Forderung gegenüber dem Unternehmen. Also gegenüber dem Aktionär. Bevor der Aktionär also etwas von seinem Geld wiedersieht, müsste er erst einmal seine Schulden beim Anleihe-Inhaber zurückzahlen. Oder einen Schuldenschnitt mit ihm vereinbaren. Nach dem Motto: Entweder du bekommst 20% oder gar nichts (Insolvenz-Antrag).
Insofern ist also die Ausgangsbasis bei Aktien und Anleihen eine völlig andere. Dennoch kann ich die Regelung für Anleihen nicht verstehen.
Gruß, Der Privatier
Als Ergänzung muss ich hier noch nachtragen, dass es nicht zwangsweise nur um Fälle geht, die dann am Ende tatsächlich in der Insolvenz landen!
Wer in den letzten Jahren evtl. schlechte Erfahrungen mit einigen Mittelstandsanleihen machen musste, der wird die vorherigen Rettungsversuche kennen, bei denen die Gläubiger „gebeten“ werden, auf einen Teil ihrer Forderungen zu verzichten.
Auch wenn diese Rettung gelingt und es am Ende dann doch keine Insolvenz wird, sind auch diese freiwilligen Teilverzichte steuerlich NICHT zu berücksichtigen!
Das hat das BMF kürzlich erst in seinem Schreiben vom 10.5.2017 noch einmal ausdrücklich bestätigt!
Gruß, Der Privatier