Steuern sparen durch ALG-Bezug
Wer hier schon länger die Beiträge über Abfindungen, Steuern und Fünftelregel verfolgt oder die entsprechenden Kapitel in meinem Buch gelesen hat, der weiß, dass die Fünftelregel immer für recht überraschende (und manchmal kaum zu glaubende) Effekte sorgen kann.
Insbesondere dann, wenn sich zur Abfindung und Fünftelregel noch weitere beeinflussende Elemente wie zusätzliche Einkünfte, Lohnersatzleistungen (wie z.B. Arbeitslosengeld) oder auch hohe Sonderausgaben hinzugesellen. In solchen Fällen ist die Wirkung der einzelnen Faktoren und das Ergebnis immer sehr schwer vorab einzuschätzen.
Eine solche schwer einzuschätzende (und äußerst verblüffende) Konstellation möchte ich heute einmal vorstellen: Steuern sparen durch ALG-Bezug.
=> Vorschlag für einen Finanzplan (1/3)
Mit: Tabellen-Kalkulation, Folgejahre, Grafik
Steuern sparen durch ALG-Bezug
Zunächst eine kurze Erinnerung: Arbeitslosengeld selber ist steuerfrei, erhöht aber durch den Progressionsvorbehalt den Steuersatz auf die anderen Einkünfte, so dass in der Regel am Ende eine höhere Steuerbelastung entsteht. Dies ist u.a. auch der Grund, warum es hier auf der Seite einige Beiträge gibt, die Möglichkeiten aufzeigen sollen, den Bezug von ALG in eine Zeit zu verschieben, in der dieser Effekt sich weniger stark auswirkt.
Wie kann es da also sein, dass man durch den Bezug von ALG sogar noch Steuern einsparen soll?
Ich will gerne zugeben, dass ich bis vor Kurzem jede Wette eingegangen wäre (und verloren hätte), dass dies ein Ding der Unmöglichkeit ist. Und so stammt das nun folgende Beispiel auch nicht von mir, sondern von Steuerberater Markus Schmetz, der dies in seinem Youtube-Kanal erläutert hat. Mit seiner Zustimmung möchte ich das Zahlenwerk hier gerne einmal vorstellen:
Beispiel:
Im vorliegenden Fall ist eine Abfindung von 300.000€ mit Fünftelregel zu versteuern.
Hinzu kommen noch laufende Einkünfte in Höhe von 60.000€
und der Bezug von Arbeitslosengeld von 15.000€.
Der Steuerpflichtige sei ledig und kein Mitglied einer Kirche.
Aus Steuersicht ist die Kombination aus hoher Abfindung, zusätzlichen Einkünften und Familienstand „ledig“ schon eine recht ungünstige Ausgangsposition. Und dann dazu noch Arbeitslosengeld?!
Aber schauen wir einmal auf das Ergebnis (hier nicht im Detail vorgerechnet – wer will, kann den Abfindungsrechner einmal bemühen, um die Zahlen zu überprüfen):
Abfindung, laufende Einkünfte und Arbeitslosengeld führen für das Jahr 2021 zu einer Einkommensteuer (inkl. Soli) von 147.502€.
Und nun ohne Arbeitslosengeld
Wenn wir bei ansonsten identischen Zahlen auf den Bezug von Arbeitslosengeld verzichten und nur die Steuerbelastung von Abfindung und laufenden Einkünften berechnen, ergibt sich als Ergebnis für 2021 eine Einkommensteuer (inkl. Soli) von 149.876€.
Wird also auf das Arbeitslosengeld von 15.000€ verzichtet, so verursacht dies eine höhere Steuer, insgesamt: 149.876€ – 147.502€ = 2.374€.
Oder anders herum: Durch den ALG-Bezug von 15.000€ werden 2.374€ an Steuern gespart.
Ein wahrlich verblüffendes Ergebnis!
Anmerkung: Neben dem oben berechneten steuerlichen Vorteil durch den ALG-Bezug hat man natürlich zusätzlich noch die 15.000€ ALG und damit verbunden auch noch die Beiträge zur Kranken- und Rentenversicherung, die von der Agentur für Arbeit übernommen werden.
=> Teilerlass der Kirchensteuer beantragen
Mit: Vorgehensweise und Fallstricke
Erklärung und Konsequenz
Natürlich fragt man sich, ob das wirklich sein kann und wie so ein Effekt zustande kommen kann.
Dazu muss man sich noch einmal klar machen, dass die Fünftelregel immer auf einer Differenz beruht (nämlich aus Steuer mit 1/5 Abfindung und Steuer ohne Abfindung). Durch den Progressionsvorbehalt werden nun beide Teile dieser Differenz angehoben. Der Kurvenverlauf des Steuertarifs verläuft aber im unteren Teil steiler und wird nach oben hin immer flacher, so dass der untere Teil stärker angehoben wird als der obere. Und damit wird die Differenz kleiner. Und damit auch die Steuer.
Als Konsequenz aus dieser Erkenntnis sollte man sich immer die dringende Empfehlung noch einmal vor Augen führen, dass man nicht blind irgendwelche Vorgehensweisen übernehmen sollte, sondern sich im Vorfeld aller geplanten Maßnahmen immer über die steuerlichen Auswirkungen im Klaren sein sollte. Ob man sich dazu selber in der Lage sieht, dies mit Hilfe eines Steuerprogrammes herauszufinden oder ob man dazu lieber einer Steuerberater zu Rate zieht, muss dann jeder für sich entscheiden.
Nur einfach blind drauf los agieren ist keine gute Option!
Abschliessend noch einmal meinen Dank an Markus Schmetz, durch dessen Youtube-Beitrag ich auf dieses Beispiel aufmerksam geworden bin und der mir erlaubt hat, seine Zahlen hier einmal wiederzugeben.
Bei Fragen, Kritik oder Anmerkungen bitte die Kommentarfunktion benutzen.
Dank Peter!
Jo, so ist das wohl und ein Lächeln am Morgen… aber ‚eher‘ von mathematischen Interesse. Oder, um mal eine Wette zu gewinnen 😉 Trotzdem, ein schönes Zahlenspiel. Bei einer Steuerlast von 150k sind die 2k Unterschied faszinierend, Vermeidung der Einkünfte reduziert aber um 65k (wenn LE verschoben werden). Letzteres der Inhalt des Blogs 😉
Trotzdem, tolles Beispiel, erinnert mich an meine Frau: „Der Betrag des Rabattes steigt mit dem Ausgaben.“
Ich: „In der Tasche bleibt trotzdem mehr, wenn ich Ausgaben (=Steuern) vermeide.“
MbG
Joerg
Ich jetzt hin und hergerechnet
Aber eine Ersparnis bei einem ALG1 Bezug kann ich nicht erkennen.
Es ist schon ein spezielles Beispiel, dass der Herr Schmetz da aufgeführt hat.
Unter Privatiersgesichtspunkten wäre Dispojahr, KK-Vorauszahlung, max. Einzahlung RV usw. unterm Strich wahrscheinlich günstiger als die 2k weniger Steuern.
Der obige Beitrag enthält keine Aussage, dass sich in jedem Fall eine Steuerersparnis durch einen ALG-Bezug ergibt!
Er weist lediglich darauf hin, dass es Konstellationen gibt, in denen sich eine solche Ersparnis ergeben kann.
Und in solchen Konstellationen (wie im obigen Beispiel) wäre es eben aus steuerlicher nicht sinnvoll, ein Dispojahr einzulegen.
Die wesentliche Aussage ist aber, dass man solche Effekte im Vorfeld prüfen sollte.
Und das gilt für alle Faktoren, die einen Einfluss auf die Steuer haben können, wie z.B. zusätzliche Einkünfte, Sonderausgaben (z.B. durch Altersvorsorge), Lohnersatzleistungen oder auch die Art der Veranlagung – um einmal die wichtigsten zu nennen.
Gruß, Der Privatier
Genau Peter , nur so ergibt sich ein zvE .
Und das in jeweiligen VAJ , im nächsten und auch übernächsten VAJ ,
u.s.w. , u.s.f. ……………..
LG Det
Lieber Privatier, liebes Team,
mein Dispositionsjahr endet in diesem Monat und ich werde jetzt ALG1 beantragen. Gleichzeitig erhalte ich in diesem Jahr meine Abfindung und arbeite nun an der Optimierung der Einkommensteuer für 2022.
– Vorauszahlung in die private KV+PV ist geplant.
– Maximale Einzahlung in die RV ist geplant.
– Reduzierung der Einkünfte meiner Ehefrau ist geplant.
Meine Berechnung erfolgt mit einem Steuerprogramm. Synchron dazu verwende ich den Abfindungsrechner vom Privatier. Die Ergebnisse stimmen bis auf kleinere Abweichungen überein. Tolles Werkzeug. Dafür schon einmal Vielen Dank!
Habe durch die hohen Vorsorgeaufwendungen ein negatives Einkommen und damit offenbar kein Problem mit dem Progressionsvorbehalt.
Ich kann beim Ersatz für Einkommen (ALG1) Beträge bis zu einer Größenordnung von 40.000 eintragen, ohne dass sich die Einkommensteuer erhöht.
Meine Frage ist: Wie berechnet sich der Betrag für die Steuererklärung, den ich beim Ersatz für Einkommen aufgrund von ALG1 Bezug eintragen kann?
Durch Internet Recherche komme ich zu dem Schluss:
– RV und KV/PV Beiträge der BA werden in der Steuererklärung nicht
eingetragen
– Dafür muss ich mein ALG1+ die fiktiven Sozialversicherungsbeiträge (aus
der Selbstberechnung https://www.pub.arbeitsagentur.de/selbst.php?
jahr=2022) beim Ersatz für Einkommen eintragen
Gibt es im Forum jemanden, der diese Frage beantworten kann?
Liebe Grüße von Karl
In der Steuererklärung ist nur das tatsächlich ausgezahlte Arbeitslosengeld anzugeben. Darüber gibt es nach Ablauf eines Jahres oder zum Ende des Bezuges auch eine entsprechende Bescheinigung durch die Agentur.
Ansonsten ist die Erkenntnis richtig, dass ein durch hohe Sonderausgaben verursachtes negatives sonstiges Einkommen dazu führt, dass der Progressionsvorbehalt des Arbeitslosengeldes keine Wirkung entfalten kann.
Gruß, Der Privatier
Vielen Dank für die schnelle Antwort!
die hohen Sonderausgaben sind nur GKV ca. 200€/Monat = 2400€ – da werden 12xALG1 Höchstbetrag (ca. 34800€) nicht wirklich reduziert.
Bei dem Rechner hier macht das bei mir (200k Abfindung) gut 20.000€ Unterschied – kann ich fast nicht glauben
Thema: LTI bzw. Mehrjahresboni
Wer LTIs oder Mehrjahresboni bezogen hat, erhält i.d.R. auch dafür eine Art Abfindungsbetrag. Die üblicherweise jährlich neu vergebenen LTIs laufen zumeist 3 Jahre und werden danach – ggf. nach einem weiteren Jahr Wartezeit – ausgezahlt. Verliert man also den Job, sind zu diesem Zeitpunkt mehrere LTIs offen. Diese werden dann zumeist als ein Paket betrachtet, das zusätzlich zur Abfindung verhandelt wird.
Es handelt sich also auch hier um eine Zusammenballung von Einkünften, die wie die Abfindung der 1/5 Regel unterliegen müssten und steuerlich optimalerweise im Folgejahr ausgezahlt werden sollten. Werden hingegen diese LTIs wie Jahresbrutto-Einkünfte behandelt, wirken sie sich steuerlich extrem nachteilig aus und machen die steuerlichen Vorteile der 1/5 Regel für die Abfindung zunichte.
Nimmt man z.B. einen ledigen, keine KiSt mit Abfindung 150 TEUR mit LTIs von 30 TEUR für mehrere Verträge, so ergäbe sich inkl. Abfindung ein Betrag von 180 TEUR. Die Steuer darauf wäre mit 1/5 Regel knapp 35 TEUR, es verblieben reichlich 145 TEUR netto. Würden hingegen die LTI-Verträge wie Jahresbrutto behandelt, so betrüge die Steuer über 60 TEUR, netto verblieben weniger als 120 TEUR.
Meiner Überzeugung nach ist die Anwendung der 1/5 Regel auch für LTIs zwingend anzuwenden. Über jeden Hinweis, vor allem praktische Erfahrungen oder neuere Erkenntnisse, bin ich dankbar.
@Bald Frührentner,
folgenden Beitrag bereits gelesen?
https://www.rechtslupe.de/steuerrecht/einkommensteuer/lohnsteuer/long-term-incentive-modelle-und-die-lohnsteuerermaessigung-per-fuenftelregelung-3230387
VG
PS: an deiner Stelle würde ich die Hilfe eines spezialisierten Steuerberaters in Anspruch nehmen.
… https://www.paychex.de/wissenswertes/lohnabrechnung-updates/incentive-modelle-mit-langzeitverguetung/
Gruß
Lars
Hallo Herr Ranning,
in diesem Zusammenhang lese ich gerade auch das Kapital 6.7 Ihres Buches.
Unter welchen Voraussetzungen lohnt sich die Abmeldung bei der Agentur für Arbeit und wo finde ich den Antrag dazu?
Beste Grüße, T
Ob eine Abmeldung aus dem ALG-Bezug aus steuerlicher Sicht sinnvoll ist (oder wie im obigen Beitrag eher nachteilig) lässt sich mit dem hier auf der Seite zur Verfügung gestellten Abfindungsrechner anhand der konkreten persönlichen Daten in etwa abschätzen.
Eine Abmeldung aus dem ALG-Bezug kann durch persönliches Erscheinen bei der Agentur, aber auch per Email, Telefon oder Online erfolgen.
Gruß, Der Privatier
Es besteht für mich noch eine Unklarheit im Bezug auf ALG1. Ich beziehe derzeit ALG1 inkl. Zuschuss zur PKV und PVN. Vergangenes Jahr habe ich die PKV und PVN bereits im Voraus für 3 Jahre bezahlt. Gehe ich recht in der Annahme, dass ich dieses Jahr mindestens Beiträge für den Basistarifanteil der PKV und PVN in Höhe der Zuschüsse vom ALG1 zahlen muss, um keine steuerlichen Nachteile zu erfahren? Sonstiges Einkommen ist nicht vorhanden.
Ja, das sehe ich auch so. Wobei ich allerdings noch anmerken möchte, dass die PKV eine solche Zahlung vermutlich als eine weitere Vorauszahlung ansehen wird und insofern würde ich empfehlen, die Vorgehensweise vorher mit der Versicherung abzusprechen. Das gilt auch für die geplante Höhe der Einzahlung und einen u.U. erforderlichen Zusammenhang mit den üblichen Beiträgen. Die Versicherungen tun sich gelegentlich schwer, wenn sie eine als willkürlich empfundende Summe von z.B. 8000€ überwiesen bekommen. Also: Vorher die Details abstimmen.
Gruß, Der Privatier
Die Beiträge der PKV incl. PVN werden mit der Vorauszahlung verrechnet. Über die Zuschüsse vom AA gibt es am Jahresanfang des Folgejahres eine Steuerbescheinigung. Die Summe gibt man dann in der Steuererklärung an. Wenn es keine Ausgaben zur KV/PV gibt, führen die Zuschüsse zu einem sogenannten Erstattungsüberhang, der normal versteuert wird. Wenn man sonst kein Einkommen hat und die Zuschüsse unter dem Grundfreibetrag liegen, fällt keine Steuer an.
Der Hinweis von Frei_2020 ist natürlich korrekt: Es wäre vorab zu prüfen, ob sich überhaupt ein (nennenswerter) steuerlicher Nachteil aufgrund der PKV-Zuschüsse ergibt.
Gruß, Der Privatier