Kap. 2.2: Höhe der Abfindung
Ein zentrales Element eines Aufhebungsvertrages ist natürlich die Abfindung, die zum Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes vereinbart werden soll.
Genauer gesagt: Die Höhe der Abfindung.
Wie im letzten Beitrag bereits erläutert, gibt es für Abfindungen keine gesetzlichen Regelungen und von daher kann man über die Höhe von „angemessenen“ Abfindungen kaum eine Aussage treffen.
Dennoch möchte ich mit dem folgenden Kapitel zumindest einmal einen Eindruck vermitteln, welche Berechnungsmethoden man in der Praxis häufig antrifft. Denn dabei ist nicht nur das Endergebnis von Bedeutung, sondern die Kenntnis der Berechnungsfaktoren kann auch immer die Chance für Verhandlungspositionen eröffnen.
Das halbe Monatsgehalt
Eine häufig zu lesende Methode, eine Abfindung zu berechnen, ist die Orientierung an einem halben Monatsgehalts pro Jahr der Betriebszugehörigkeit. Also:
Abfindung = Anzahl Jahre Betriebszugehörigkeit * Monatsgehalt * 0,5
Diesen Wert sollte man zunächst nur als eine Art Orientierung auffassen. Das wäre die Summe, die oftmals von einem Gericht bei einem gewonnenen Kündigungsschutzprozess festlegt wird. Man sollte diese Summe daher eher als untere Grenze auffassen.
Im Grunde ist dies auch nur eine spezielle Ausprägung einer Berechnung, die sich auf die Vergangenheit stützt. Sie orientiert sich an dem „Blick zurück“.
Der Blick zurück
Beim „Blick zurück“ fliessen als wichtigste Faktoren in die Berechnung der Abfindungshöhe die Dauer der Betriebszugehörigkeit und die Höhe des Gehaltes ein. Als Ergänzung zur ersten Variante werden dann aber oftmals anstatt des festen Faktors von 0,5 noch zusätzlich soziale Faktoren wie z.B. das Alter, der Familienstatus (led./verh.) oder die Anzahl der Kinder in die Berechnung mit einbezogen. Mit dieser Ergänzung lautet die Formel dann also:
Abfindung = Anzahl Jahre * Monatsgehalt * Faktor
Eine solche Vorgehensweise ist weit verbreitet und daher völlig normal und nicht zu beanstanden.
Im Ergebnis sollte der Faktor allerdings größer als 0,5 sein. Häufig anzutreffen sind Faktoren, die zwischen 0,5 und 1,0 (oder auch leicht darüber) liegen.
Diese Art der Berechnung wird gerne bei jüngeren Mitarbeitern verwendet, da diese nicht so lange im Unternehmen waren und über diese Formel damit weniger Anspruch haben. Für ältere Mitarbeiter wird dagegen oftmals lieber der „Blick nach vorne“ verwendet.
Der Blick nach vorne
Eine Berechnung mit dem „Blick nach vorne“ entspricht eher dem eigentlichen Sinn einer Abfindung, der ja darin besteht, einen Arbeitnehmer für das in der Zukunft entgehende Einkommen zu entschädigen. Vom Grundprinzip her sollen dabei die Jahre bis zur Rente entschädigt werden, so dass sich die folgende Formel ergibt:
Abfindung = Jahre bis zur Rente * Jahresgehalt * Faktor
Auch hier sind der Gestaltung des Faktors keine Grenzen gesetzt. Beispiele:
- Abschlag von Nettogehalt
Häufig wird in der obigen Formel nicht das Bruttogehalt, sondern das Nettogehalt (abzgl. eines Abschlages) zur Berechnung verwendet. Übliche Abschläge liegen im Bereich von 10%-20%. - Abschläge für Zeiten der Arbeitslosigkeit
Viele Arbeitgeber reduzieren die nach obiger Grundformel berechnete Abfindung um die Ansprüche auf Arbeitslosengeld. Entweder, indem bis zu zwei Jahre der Zeit bis zur Rente gar nicht berücksichtigt oder indem nur die Differenz vom niedrigen Arbeitslosengeld zum reduzierten Nettogehalt berücksichtigt wird. - Aufschläge für Versicherungsbeiträge
Wenn sich die Berechnung am letzten Nettogehalt orientiert, können Aufschläge für die Beiträge zur Kranken- und Rentenversicherung vereinbart werden, die der Arbeitnehmer ja bis zur Rente dann aus eigener Tasche bezahlen muss. - Berücksichtigung von Kündigungsfristen
Arbeitgeber nutzen Aufhebungsverträge gerne dazu, ordentliche Kündigungen und die damit verbundenen Fristen zu vermeiden. Für den Arbeitnehmer kann dies aber nachteilige Folgen beim Arbeitslosengeld und den Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung haben. Man sollte sich daher auf solche verkürzten Fristen nach Möglichkeit nur dann einlassen, wenn in der Kalkulation der Abfindung ein Ausgleich für die entstehenden Nachteile enthalten ist.
=> Vorschlag für einen Finanzplan (1/3)
Mit: Tabellen-Kalkulation, Folgejahre, Grafik
Fazit zur Höhe der Abfindung
Die oben genannten häufig anzutreffenden Grundmuster für die Berechnung von Abfindungen liessen sich sicher noch fortsetzen oder verfeinern, sie können daher hier nur eine grobe Orientierung darstellen, um ein vorliegendes Angebot besser einordnen zu können bzw. um in Verhandlungen alternative Lösungen ausloten zu können.
Denn am Ende ist nicht nur die Höhe einer Abfindung von Interesse, sondern was davon übrig bleibt bzw. welche Folgen aus den weiteren Vereinbarungen eines Aufhebungsvertrages resultieren. Dazu wird es in den folgenden Beiträgen noch einige wichtige Hinweise geben.
Im nächsten Beitrag wird es aber erst noch einmal um meine persönlichen Erfahrungen mit der Verhandlung meiner eigenen Abfindung gehen.
Bei Fragen, Kritik oder Anmerkungen bitte die Kommentarfunktion benutzen.
Guten Morgen, was ich vermisse, ist die Thematik Abfindungen für BETRIEBSRÄTE. Sperrfristen bei Aufgabe des besonderen Kündigubgsschutzes.
Gruss
TORSTEN LANGE
Thema hatten wir hier vor einigen Wochen, ich finde leider die Kommentare dazu nicht mehr.
Gruß
Lars
Sofern sich die Frage auf die Höhe der Abfindung bezieht (das Thema des obigen Beitrages), so gelten für Mitglieder eines Betriebsrates keine besonderen Regeln, sondern die obigen Hinweise sind ganz allgemein zu berücksichtigen Dazu gleich mehr…
Sofern es um die Frage nach einer Ruhezeit beim ALG infolge der Nichteinhaltung der AG-Kündigungsfrist geht, so liegt bei einem Betriebsrat ein zeitlich befristeter Ausschluss der ordentlichen Kündbarkeit durch den AG vor. In diesen Fällen gilt folgende Regelung (FW zum §158 SGB III):
„Ist die ordentliche Arbeitgeberkündigung vorübergehend ausgeschlossen (z. B. Betriebsratsmitglieder, Schwangere, schwerbehinderte Menschen), gilt die vom Arbeitgeber einzuhaltende ordentliche Kündigungsfrist.“
Für die Ruhezeit spielt der längere Kündigungsschutz also keine Rolle.
Nun aber zurück zur Höhe der Abfindung:
Selbstverständlich sollte in die Verhandlungen über die Höhe der Abfindung die Tatsache des besonderen Kündigungsschutzes eines Betriebsrates einfliessen. Immerhin müsste der AG bis zum Ende des Kündigungsschutzes das volle Gehalt zahlen und zwar zzgl. sämtlicher Sozialbeiträge. Für diesen Zeitraum halte ich daher eine Formel wie z.B. 85% vom Netto für unangemessen.
Am Ende ist es aber wie immer eine Sache der Verhandlung und es wird dann wohl auf eine Mischkalkulation hinauslaufen. Dabei sind (wie immer) die Interessen beider Seiten, aber auch die Chancen bzw. Wahrscheinlichkeiten zu berücksichtigen. Und zumindest für die Dauer des Kündigungsschutzes sind die Karten für den AG äussert schlecht gemischt.
Das gilt aber wiederum für ALLE Kündigungsfristen, auch wenn sie nur 6 oder 7 Monate betragen. Daher der Hinweis im obigen Beitrag: „Man sollte sich daher auf solche verkürzten Fristen nach Möglichkeit nur dann einlassen, wenn in der Kalkulation der Abfindung ein Ausgleich für die entstehenden Nachteile enthalten ist.“
Gruß, Der Privatier
Super.. Vielen Dank für die Info… Habe mir heute gleich mal ihr Buch bestellt
Das Buch zu bestellen ist schon mal eine sehr gute Entscheidung. 🙂
Ich möchte allerdings darauf hinweisen, dass sich das Buch an eine breite Leserschaft wendet und insofern nur Sachverhalte betrachtet werden, die für möglichst viele Leser von Bedeutung sind. Spezielle Regelungen für Mitglieder eines Betriebsrates sind daher nicht enthalten.
Allerdings halte ich das Buch aus einem anderen Grund gerade für Betriebsräte für besonders wichtig: Für die Unterstützung von Kollegen, die von Entlassungen, Aufhebungsverträgen u.ä. betroffen sind, enthält das Buch eine ganze Reihe von Gestaltungsmöglichkeiten, die einerseits für den AN sehr lukrativ sein können und andererseits für den AG oftmals keinen oder nur einen geringen Nachteil bedeuten. Von daher ideale Verhandlungspositionen, die vom Betriebsrat entsprechend vertreten werden können.
Also: Das Buch nicht nur selber lesen, sondern an die Kollegen (oder Nachfolger) aus dem Betriebsrat weiter geben bzw. empfehlen.
Gruß, Der Privatier