Gastbeitrag: Die Nichtveranlagungsbescheinigung
Heute gibt es zur Abwechslung einmal einen Gastbeitrag. Also einen Beitrag, den ich nicht selber verfasst habe, sondern ein eifriger Leser dieses Blogs. Ein Gastbeitrag von „H-Man“.
H-Man ist inzwischen selber Privatier und hat hier mit seinen Kommentaren schon einige wichtige Erkenntnisse und Erfahrungen beigesteuert. Allerdings hat er bisher auch ein paar Punkte vermisst und ich möchte ihm hiermit gerne die Gelegenheit geben, seine Erfahrungen weiter zu geben.
Ich übergebe also hiermit das Wort an: H-Man.
=> Vorauszahlung von Krankenkassenbeiträgen
Drei Jahre im Voraus zahlen, vollständig steuerwirksam
Die NV-Bescheinigung
Die NV-Bescheinigung – vollständig: Nichtveranlagungsbescheinigung – ist:
- ein Dokument, in dem das Finanzamt einer Person (z.B. einem Rentner) bescheinigt, dass voraussichtlich keine Einkommenssteuer entstehen wird bzw.
- ein Dokument, in dem das Finanzamt bescheinigt, dass keine Abgeltungssteuer auf Kapitalerträge abzuführen ist.
Für den Privatier ist typischerweise die 2. Variante interessant und erreichbar.
Die NV Bescheinigung wird erteilt, wenn gegenüber dem Finanzamt (glaubhaft) erklärt wird, dass die zu erwartenden Einkünfte den Grundfreibetrag nicht übersteigen werden.
Der Grundfreibetrag sind in 2014 EUR 8.354,- für Alleinstehende und EUR 16.708,- für gemeinsam veranlagte Ehepaare. Für jedes Kind kommen zusätzlich EUR 4.368,- Freibetrag hinzu.
Damit steht dem Privatier – je nach persönlicher Familien-Situation – ein netter Betrag als steuerfreies Existenzminimum zur Verfügung. Typischerweise also für Kapitalerträge, sofern nicht noch andere Einnahmen anfallen.
Zu beantragen ist die NV Bescheinigung beim zuständigen Finanzamt. Das Formular ist auch online erhältlich (http://www.bundesfinanzministerium.de Stichwort Formular Management System) und recht einfach auszufüllen.
Wird dem Antrag stattgegeben, erhält man die gewünschte Anzahl an Bescheinigungen, die man an die Banken weiterleitet – was dann dazu führt, dass ab sofort keine Abgeltungssteuer auf Kapitalerträge bei diesen Banken abgeführt wird.
Ich selber hatte den Antrag im selben Jahr gestellt, in dem die Abfindung gezahlt wurde und hatte mich auf viele Fragen seitens des Finanzamtes eingestellt; schließlich sieht der Finanzbeamte, wenn er sich die aktuellen Zahlen im System anschaut Einkünfte, für die er viele Jahre arbeiten muss. Umso überraschter war ich, als ich recht schnell die gewünschten Bescheinigungen ohne irgendwelche Rückfragen erhalten hatte. Möglicherweise hatte ein erläuterndes Anschreiben, welches ich dem Antrag beigefügt hatte, sämtliche Fragen beantwortet.
=> Vorschlag für einen Finanzplan (1/3)
Mit: Tabellen-Kalkulation, Folgejahre, Grafik
Was hilfreich sein kann: Kursgewinne auf Aktien oder Fonds sind erst dann Erträge, wenn diese veräußert werden. Damit kann man also steuern, wann Kapitalerträge anfallen. So macht es ggf. viel Sinn, dass Kursgewinne erst dann realisiert werden, wenn jährliche/monatliche Zinseinkünfte weniger werden, weil das Leben ja nun mal mit Kosten verbunden ist, welche das Kapital und damit die Kapitalerträge langfristig schmälern…
Darüber hinaus sollte es möglich sein, zweigleisig zu fahren und bei einigen Kapitaleinkünften weiterhin die Abgeltungssteuer zu entrichten. Diese Einkünfte fallen dann dem Finanzamt gegenüber unter den Tisch, da diese ja bereits pauschal versteuert wurden. Ob sich das lohnt, muss man natürlich im Einzelfall genau durchrechnen.
Soweit der Beitrag von H-Man. Der Inhalt gibt nicht unbedingt die Meinung von „Der-Privatier“ wieder.
Bei Fragen, Kritik oder Anmerkungen bitte die Kommentarfunktion benutzen.
Hallo H-Man,
jetzt bin ich ja hier mal in der Rolle des Fragen-Stellers! Auch mal eine nette Erfahrung…
Mich würde einmal interessieren, wie Du es schaffst, unterhalb der Grenze von ca. 16.708€ zu bleiben?!
Aus meiner Sicht gibt es da nur 4 Möglichkeiten:
a) Ihr kommt mit ca. 1.400€/Monat aus. Mir erscheint das etwas knapp.
b) Ihr verbraucht mehr und der Rest ist Kapitalverzehr. Geht das auf Dauer gut?
c) Du betreibst eine Art von Steueroptimierung. Wenn ja, welche?
d) Ich habe etwas Wichtiges übersehen.
Und noch eine Frage: Musst Du eigentlich (z.B. per EkSt-Erklärung) nachweisen, dass Du die NV-Bescheinigung zu Recht bekommen hast?
Gruß, Der Privatier
Hallo Privatier,
die wesentlichen Antworten hast Du schon gegeben;) Aber im Einzelnen:
In meinem Fall profitiere ich noch von den erwähnten Freibeträgen für 2 Kinder. Damit liegt das zugebilligte steuerfreie Existenzminimum in unserem Haushalt höher.
Wie Du richtig vermutest reichen EUR 1400 im Monat natürlich nicht aus, erst recht nicht mit 2 Kindern die sich noch in der Ausbildung befinden. Wie Du schon vermutest, funktioniert das nur mit einem gewissen Kapitalverzehr. Unser monatlicher Finanzbedarf wir aktuell ungefähr zu jeweils einem Drittel gedeckt durch Zinsen, Kapitalverzehr und sonstige Einkünfte.
Ob sowas auf Dauer gut geht hängt natürlich vom Kapital selber ab. Nach meiner Projektion wird bei uns ca. die Hälfte des Kapitals bis zu meinem Renteneintritt verzehrt sein.
Und wie bereits erwähnt kann man den Zeitpunkt wann Kursgewinne aus Aktien oder Fonds etc. realisiert werden selbst bestimmen.
In meinem Fall werde ich die Kapitalerträge in der Einkommensteuererklärung angeben (müssen), da wir ja noch über weitere Einkünfte verfügen.
Hat man aber nur Kapitalerträge unterhalb der angegeben Summe ist nichts weiter tu tun bzw. nachzuweisen. Natürlich ist man verpflichtet wenn ich die Sachlage ändert (z.B. höhere Kapitalerträge erzielt werden) diese mitzuteilen und ggf. die NV Bescheinigung zurückzugeben. Kommt man dem nicht nach dürfte es sich wohl um Steuerhinterziehung handeln was man tunlichst vermeiden sollte!
Viele Grüße
H-Man
Danke für den Einblick H-Man,
daran hatte ich bisher noch nicht gedacht, aber kommt bei uns nach deinen Erklärungen auch nicht in Frage.
Gruß
Alex
Hallo Privatier, eine Frage hätte ich zur „Nichtveranlagungsbescheinigung“. Habe mein Dispojahr beendet und befinde mich in der ALG1 Bezugsphase. Ich nehme mal an dass das ALG 1 als Einkommen zählt und ich deswegen die Bescheinigung für meine Aktiengewinne nicht beantragen kann. Oder sollte ich mich (erfreulicherweise) irren ?
Warum solltest du nicht die Nichtveranlagung beantragen können? Was sollte dich daran hindern, den Antrag auszufüllen?
Allerdings muss man trotzdem Lohnersatzleistungen wie ALG1 irgendwo angeben. Im NV-Antragsformular ist dafür kein Feld vorgesehen, also musst du das mittels Steuererklärung machen. Dann wäre es interessant zu erfahren, wie das FA reagiert. Kannst ja mal hier berichten.
Ergänzung: Der Bezug von Lohnersatzleistungen (wie z.B. Arbeitslosengeld) ist einer der Punkte, die zur Pflicht einer Steuererklärung führen. Das kann man sich also nicht ersparen.
Ob eine Nichtveranlagungsbescheinigung möglich ist, kann ich nicht sicher beantworten. Aber einen Versuch kann man ja mal machen.
Gruß, Der Privatier
Habe nun die NV beantragt und ohne Probleme oder Nachfragen des FA bekommen. Wie Robert bereits erwähnte, ist beim Antrag kein Feld in dem Lohnersatzleistungen angefragt werden. Das ist schon ein bisschen erstaunlich denn alle anderen Einkommensarten (Renten, Einkünfte aus selbstständiger und nichtselbstständiger ARbeit, etc) werden abgefragt. Jetzt bin ich mal gespannt was bei der Steuererklärung rauskommt. Denn da wirkt sich das ALG1 ja bekanntermaßen durch den Progressionsvorbehalt aus. Werde berichten.
Gruß
Joe
Ich dachte immer, die NV-Bescheinigung soll Bürokratie vermeiden, also aufwändige Verwaltungsakte und Prüfverfahren bei geringen Einkünften unterhalb des Freibetrags erst gar nicht in Gang setzen.
Wenn man aber zunächst die NV-Bescheinigung beantragt und dann doch eine Steuererklärung wegen ALG1-Bezug abgeben muss – das erzeugt vielleicht sogar mehr Bürokratie, weil der aufmerksame Finanzbeamte ins Grübeln kommt und sich fragt, was sich der Steuerpflichtige dabei gedacht hat.
Denn die NV-Bescheinigung wird wohl noch unbürokratisch erteilt, wenn der Antrag plausibel und glaubwürdig war, aber wenn dann unerwartet die Steuererklärung hinterher eintrudelt, dann muss der Beamte ja doch den ganzen Kram überprüfen und den Bescheid erstellen.
Die Depot-Bank wird aufgrund der NV-Bescheinigung die Kapitalerträge nicht ans FA melden, aber wird dann das FA die Steuerbescheinigungen aufgrund der Steuererklärung doch noch anfordern und prüfen müssen ?
Keine Ahnung – macht aber im Zweifel nur mehr Aufwand als beabsichtigt. Sollte aber alles ohne Konsequenzen bleiben, wenn die Steuererklärung vollständig ist.
Der interessantere Fall wäre, wenn du KEINE Steuererklärung abgibst (das war ja der Sinn der NV-Bescheinigung) – und dann einfach abwartest, was passiert. Aber wahrscheinlich merkt die FA-Software so was sofort, denn die ALG1-Bezüge werden dem FA von der Agentur gemeldet. Dann kommt vielleicht ein netter Brief mit der Aufforderung, doch bitte die Steuererklärung abzugeben.
Die Digitalisierung bei einem deutschen FA funktioniert bestens – es ist ja auch kein Gesundheitsamt.
Ja, in der Tat ist da schon manches nicht so logisch. Man könnte es höchstens so erklären: Das ALG1 erhöht ja meines Wissens nicht das zu versteuernde Einkommen. (In meinem Fall ist das die Rente meiner Frau da wir gemeinsam veranlagt werden.) Es erhöht nur den prozentualen Steuersatz mit dem die Rente meiner Frau dann besteuert wird. Aber was ist wenn das eigentlich zu versteuernde Einkommen unter dem gemeinsamen Freibetrag von ca. 19 000 € bleibt ? Läuft dann die gesamte Besteuerung ins Leere ?
Vielleicht warte ich tatsächlich ab was passiert wenn ich gar keine Steuererklärung abgebe. Ich werde berichten. Grüße von Joe.
Stimmt: Steuergesetze und Logik haben oft nicht viel miteinander zu tun. Manchmal wird ein Freibetrag per Gesetz festgelegt und dann über Jahre nicht angepasst, andere werden indexiert. So isses halt.
Aber wenn du fragst, „Läuft dann die gesamte Besteuerung ins Leere ?“, dann könnte es sein, dass dir die Berechnung vielleicht nicht ganz klar ist. Es ist aber in diesem Fall denkbar einfach und du kannst die Steuer leicht selbst überschlägig ausrechnen, wenn du deine Zahlen in einen Ekst-Rechner eingibst, der ALG1 separat ausweist (z.B. https://www.finanzen-rechner.net/einkommensteuerrechner.php oder auch den Abfindungsrechner vom Privatier)
Wenn du es genau wissen willst, musst du alle Zahlen in dein Steuerprogramm eingeben. Das Ergebnis wird sein: Es läuft leider nicht ins Leere, denn alle Einkünfte und das ALG1 wird sehr wahrscheinlich über dem Grundfreibetrag liegen, es sei denn, du hast nur wenige Monate ALG bezogen.
Also z.B. 18k Einkünfte insgesamt für beide, (Rente und Kapitalerträge unterhalb des Freibetrags). aber dann vielleicht zusätzlich 6 Monate ALG bezogen (ca. 12k), dann sind doch Steuern fällig (nur ca. 6%, aber eben mehr als nichts)
Wenn du also keine Steuererklärung abgeben solltest, wäre das zwar ein interessanter Fall für uns Leser hier, aber für dich möglicherweise auch riskant, falls der Finanzbeamte schlecht gelaunt ist und dir im schlimmsten Fall einen versuchten Steuerbetrug unterstellen sollte. (Außerdem droht noch ein Verspätungszuschlag).
@Joe
Wer neben Einkünften noch Lohnersatzleistungen / ALG1 bezieht ist verpflichtet, eine EkSt-Erklärung abzugeben, wenn das ALG1 410€ im Jahr überstiegen hat. https://www.steuern.de/steuererklaerung-pflicht.html
Ich weiß aber nicht welche Truppen sie dir vorbeischicken, wenn Du dich nicht rührst.
Danke an eSchorsch und Robert für die Kommentare. Ja, wahrscheinlich werde ich schon eine Steuererklärung abgeben. Nichts tun wäre interessant, ist aber risikoreich. Was die Besteuerung des ALG1 angeht ist mir schon klar wie es berechnet wird. Meine Äußerung vom „ins Leere laufen“ war so gemeint: ALG 1 ist glasklar als steuerfrei deklariert. Momentan besteht unser zu versteuerndes Einkommen aus der Rente meiner Frau und Kapitalerträgen. Das liegt zusammen unter der Freigrenze. ALG1 wird nun dazu addiert und aus dieser Summe wird der entsprechende Steuersatz ermittelt. Sagen wir mal der ist ca. 12%. Und damit wird nun das zvE besteuert. (also Rente+Kapitalerträge aber ohne ALG!) Daraus ergibt sich: ALG1 verändert das zvE nicht. Und das liegt unter der Freigrenze. Da sehe ich mit meiner Logik halt einen gewissen Widerspruch. Mir ist aber schon klar dass das Finanzamt das anders interpretieren wird. Das ganze Konstrukt ist doch ein Widerspruch. ALG1 ist steuerfrei aber dann doch wieder nicht…..
Nimm die aktuelle Rechtslage „ALG1 ist grundsätzlich steuerfrei, unterliegt aber dem Progressionsvorbehalt“ einfach so hin. Mosern bringt nichts, außer dir Bauchschmerzen.
@Joe, vielleicht hilft dir einen Blick in folgende Definition (Wikipedia): „Progressionsvorbehalt ist ein Begriff aus dem Steuerrecht. Er bezeichnet den Vorgang, dass gewisse steuerfreie Einkünfte den Steuersatz erhöhen können. „Also, können aber nicht müssen.
D.h du kannst soviel Steuerfreie Einkünfte mit Progressionsvorbehalt erhalten wie du willst, aber solange dein zVE bei null Euro bleibt, hat der Progressionsvorbehalt keinerlei Auswirkungen, denn wie wir alle in der Schule gelernt haben: etwas x 0, ergibt immer 0. Ich sehe da keine Widersprüche, höchstens Interpretationsmöglichkeiten.
VG eLegal
@eLegal: So habe ich es gemeint; du hast es gut ausformuliert. Ob es das Finanzamt auch so sieht werden ich sehen..
Danke nochmals allen für ihre Beiträge.
Nun hätte ich noch eine Frage. Ich werde 2022 nur ALG1 beziehen, sonst werden meine Frau ich keinerlei Einkünfte haben.
Ich besitze Aktien, wobei hier schon ein paar Tausend Euro Dividenden Zahlungen zusammen kommen.
Normalerweise müsste ich mir doch bei einer Steuererklärung mit Anlage KAP die Zinsabschlagssteuer die über dem Freibetrag von 1602 Euro liegen wird zurückholen können. Oder habe ich hier einen Gedankenfehler.
Die Überlegung ist schon grundsätzlich richtig. Ob es allerdings eine komplette Erstattung der bereits gezahlten Abgeltungssteuer gibt oder nur eine Teilerstattung hängt dann doch sehr von den jeweiligen Summen von ALG und Kapitaleinkünfte ab.
Mehr zu dieser Frage auch im Beitrag: https://der-privatier.com/kap-10-8-3-steuern-auf-kapitalertraege-die-anlage-kap/
Gruß, Der Privatier