Kap. 10.7: Arbeitslosengeld und Steuern
In den letzten Beiträgen habe ich noch einmal zusammengefasst, was bei einer Abfindung zum Thema Steuern zu beachten ist („Die Abfindung„) und auch ein paar neue Ideen und Hinweise erläutert („Vorauszahlung von Krankenkassen-Beiträgen„, „Einzahlung in eine Direktversicherung„, „Abfindung mit Steuerklasse 6 ?“ und „Die Einzelveranlagung„).
Heue möchte ich noch einmal kurz auf das Arbeitslosengeld eingehen – aber, dem Thema des Kapitels entsprechend – ausschließlich aus Steuersicht:
Auch wenn das Arbeitslosengeld nämlich netto, also steuerfrei, ausgezahlt wird, so heißt das nicht, dass es keine steuerlichen Auswirkungen hätte.
Progressions-Vorbehalt
Das Arbeitslosengeld wirkt sich nämlich beim sog. Progressions-Vorbehalt aus. Das Verfahren ist dabei so, dass das Arbeitslosengeld dem anderen Einkommen zunächst zugerechnet wird, um mit dieser Gesamtsumme den sich ergebenden Steuersatz festzustellen.
Dieser (natürliche höhere) Steuersatz wird dann auf die ursprüngliche Summe angewandt. Und somit erhöht das Arbeitslosengeld nun doch die Steuer.
Und da zumindest mein Vorsatz im Jahr meiner Abfindungszahlung lautete: „Kein weiteres zusätzliches Einkommen“, konnte es für mich nur folgerichtig heißen: „Kein Arbeitslosengeld“.
Und um das zu erreichen, habe ich mich nur kurz bei der Arbeitsagentur angemeldet, um mich dann sofort nach Feststellung meines Anspruches wieder abzumelden (s. auch „An- und wieder abmelden„).
Der einmal erworbene Anspruch auf Arbeitslosengeld verfällt nämlich in den folgenden drei Jahren nicht, daher besteht auch keine Notwendigkeit, ihn sofort in Anspruch zu nehmen. Und wenn es sich steuerlich als vorteilhafter erweist, dieses zu einem späteren Zeitpunkt zu machen, sollte man diese Möglichkeit auch wahrnehmen.
Dass es auch andere Möglichkeiten gibt, habe ich mich freundlicher Unterstützung von Leser „Mr. Excel“ am Beispiel des Dispositionsjahres gezeigt. Dabei gilt es allerdings ganz genau aufzupassen, dass man keinen Fehler macht. Wenn man alles richtig macht, birgt diese Variante aber u.U. noch den Vorteil, in eine höhere Anspruchsstufe zu gelangen.
Eine noch andere Variante habe ich mit der Vorstellung der Rürup-Strategie vorgestellt. Richtig eingesetzt, kann man damit drei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Reduzierung der Steuer, Verbesserung der Altersvorsorge und kein Problem mit dem Arbeitslosengeld.
Abschließend sei noch gewarnt: Man sollte nicht den Fehler machen, das Thema „Progressionsvorbehalt“ zu unterschätzen! Oft wird nämlich die Meinung vertreten. „ALG ist steuerfrei. Es gibt zwar einen Progressionsvorbehalt – aber das wird schon nicht so schlimm sein.“
Wie falsch diese Ansicht (gerade im Zusammenhang mit einer Abfindung) sein kann, darauf habe ich in einem Kommentar schon hingewiesen (s. „70% Steuer auf das Arbeitslosengeld„)! Im Übrigens ist der (längere) Bezug von ALG bei einem Ehepartner und eine fortwährende Berufstätigkeit des anderen Ehepartners ein typisches Anwendungsgebiet der Einzelveranlagung (unbedingt prüfen!).
Damit will ich die Zusammenfassung der steuerlichen Aspekte von Abfindung und Arbeitslosengeld abschließen. Beide sind im Leben eines Privatiers einmalige bzw. vorübergehende Ereignisse, die sicher ihre Beachtung verdienen, aber auch irgendwann in den Hintergrund treten.
Wichtig – und zwar permanent – ist die Betrachtung der Kapitalerträge. Und natürlich der Steuern auf dieselben. Und dazu gibt es dann im nächsten Beitrag mehr.
Guten Abend.
Vielen Dank für den Beitrag, obwohl ich meine, alles schon in vorherigen Artikeln gelesen zu haben. 70% Steuer auf das Arbeitslosengeld schrecken mich nicht ab, bei sind es mutmaßlich über 80%. Aber 20% von bspw. 2.000€ sind immer noch 400€ mehr pro Monat Bezug, als 0€, wenn man das ganze Jahr der Abfindung disponiert, mit dem kleinen Nebeneffekt, dass man selbst und die ganze Familie durch das Arbeitsamt krankenversichert ist.
Fatal wäre es erst, wenn der steuerliche Verlust höher als das ausgezahlte ALG und die ersparten Kassenbeiträge wäre. Für Privatiers relativ kurz vor der Rente sieht das natürlich anders aus. Dann macht das Dispositionsjahr absolut Sinn, denn das ALG wird erst im Folgejahr ohne steuerliche Einbußen bezogen, wenn kein weiteres zu versteuerndes Einkommen vorliegt, dann sogar wirklich steuerfrei.
Für mich stellt sich nur die Frage, ob ich mir durch das Dispositionsjahr die Arbeitssuche auch in 2016 schenke und dann lieber erstmal ein Jahr ALG beanspruche. Wirken sich denn Kapitaleinkünfte auf die Höhe des ALG’s aus, das kann im Vorfeld doch keiner berechnen?
Und wo wir schon dabei sind, mit einem Großteil meiner Abfindung haben ich nun auch ein Depot zunächst ausschließlich mit ETF’s gefüllt (leider ausländische Saurier, der Artikel war mir entgangen). Wie stelle ich es nun am besten an, dass ich in diesem Jahr keine Kapitaleinkünfte realisiere? ich hatte gehofft, es reicht aus, in diesem Jahr nichts mit Gewinn zu verkaufen, sondern Verkäufe erst ab 2016 durchzuführen…
Dieser Aspekt fehlt mir bis dato in all Ihren spannenden Berichten von Kapitalbildung und Steuervermeidung. 🙂
Hallo Marcus,
nach meiner Kenntnis kannst du bei den Kapitalerträge wählen. Erstmal wird bei Auszahlung der Erträge die Quellensteuer einbehalten. Damit ist die Besteuerung erledigt und du musst diese Erträge auch nicht mehr angeben. Liegt dein Steuersatz aber unter der Quellensteuer, kannst du über die Steuererklärung die Differenz erstattet bekommen.
Die Aussage ist zwar prinzipiell richtig. Bei ausländischen Thesaurieren aber leider nicht. Denn da zieht eben keiner die Abgeltungssteuer ab und deshalb müssen sie in der Steuererklärung immer angegeben werden. Und das selbst dann, wenn gar kein Geld geflossen ist (eben: thesauriert o. angesammelt).
Das ist ja gerade das Unschöne. Details dazu: https://der-privatier.com/top-oder-flop-folge-10-die-saurier-sterben-aus
Gruß, Der Privatier
Hallo Markus,
ich werde das Thema der Besteuerung von Kapitalerträgen in den nächsten Beiträgen einmal etwas genauer betrachten. Und auch noch einmal Möglichkeiten aufzeigen, Einkünfte zu verschieben. Bis dahin könnte ich Dir die Lektüre der Steuer-Episoden I-V empfehlen (Beginn: https://der-privatier.com/steuerplanung-episode-i-vorbemerkungen ).
Ach ja: Die Höhe des ALG-1 wird immer auf Basis des letzten sozialversicherungspflichtigen Einkommens berechnet, denn nur darauf hat man ja auch die Versicherungsbeiträge gezahlt. Andere Einkommen spielen da keine Rolle.
Gruß, Der Privatier
…ich meinte nicht die Höhe des ALG, dessen Berechnung ist mir relativ geläufig. Ich meinte, ob es Kürzungen wegen Kapitaleinkünften geben könnte, so wie gekürzt wird, wenn geringfügig beschäftigt ist oder ein geringfügiges Einkommen aus Gewerbebetrieb hat, ich glaube auch aus Vermietung&Verpachtung?
Episoden I-V werde ich mir gleich vornehmen, ich habe erst mal schmunzelnd die Tops & Flops durchgelesen.
Nein, es gibt beim ALG-1 auch keine Kürzungen aufgrund von Kapitaleinkünften.
Gruß, Der Privatier
Hallo,
kleine Ergänzung noch zu ALG;
steuerlich genau so wirkt sich u.U. auch die Zahlung von Krankengeld aus, oder?
Beste Grüsse
A.
Ich habe mit Krankengeld zwar selber keine Erfahrung, aber ich sehe das genau so, ja !
Krankengeld ist eine Lohnersatzleistung, wird netto ausgezahlt, unterliegt aber dem Progressionsvorbehalt. Von daher: Steuerliche Wirkung wie bei ALG.
Gruß, Der Privatier
Hallo Privatier,
vielen Dank für die Infos. Leider haben wir Ihre Seite erst zu spät gefunden und von dem Dispositionsrecht keinen Gebrauch gemacht.
Folgender Fall:
Verheiratet, 2 gemeinsame Kinder mit Anspruch auf Kindergeld.
Ehemann:
– Abfindung und Auszahlung des Langzeitkontos € 149.112,68
– ALG und Gründungszuschuss € 22.000
Ehefrau:
– selbständig tätig, Gewinn 4.800,-
Die getrennte Veranlagung in diesem Jahr haben wir auch schon überlegt.
Wenn ich es richtig sehe, müssten doch folgende Rechnung funktionieren, falls getrennt veranlagt.
Ehemann:
Einnahmen 1/5 Abfindung
+ Einnahmen mit Progressionsvorbehalt
./. 2 Kinderfreibeträge
./. Sonderausgaben+Vorsorgeaufwendungen (ggf. Einzahlung in Rürup)
——————–
= zu versteuerndes Einkommen. Muss dies 0 sein oder reicht es, wenn es unter dem Grundfreibetrag ist? Dann würde ja keine Steuer auf das zu versteuernde Einkommen anfallen. Und dann wäre die Rechnung ohne die Abfindung ja auch 0. Also keine Differenz und die Abfindung bliebe steuerfrei?
Ehefrau:
Einnahmen unter Grundfreibetrag, also keine Steuer
Stimmt das so? Ich habe irgendwo gelesen, dass es nicht reicht, wenn das zu versteuernde Einkommen unter dem Grundfreibetrag ist, weil man ihn ja sonst 2 x gewährt bekommen würde durch die 2 Vergleichsrechnungen (mit und ohne Abfindung)
Von der Berechnung hängt nun ab, ob wir noch Geld in Rürup schießen oder nícht.
Vielen Dank für Ihre Hilfe!
Herzliche Grüße
Andrea
Ich möchte (oder kann) hier keinen konkreten Rat geben, dafür gibt es zu viele Einflussgrößen, die das Ergebnis verändern könnten. Ich kann da (wie so oft) nur raten, das ganze Zahlenwerk einmal mit einem Steuerprogramm (ggfs. auch kostenlose Elster-Software) durchzuspielen und auch mehrere Varianten mit wechselnden Zahlen auszuprobieren. Wer sich das selber nicht zutraut, sollte einen Steuerberater beauftragen.
Ich kann Ihnen allerdings schon einmal sagen, dass Ihre Annahmen nicht ganz korrekt sind! Für die Anwendung der Fünftelregel rechnet man:
1. zunächst die Steuer OHNE Abfindung aus.
2. Danach die Steuer inkl. 1/5 der Abfindung.
3. Die Differenz aus Ergebnis(2) und (1) wird mit fünf malgenommen.
4. Die gesamte Steuerlast beträgt dann: Summe aus (1) und (3).
Wenn sich im ersten Schritt ein Ergebnis kleiner/gleich Null ergibt (und das hört sich bei Ihnen so an…?), ist die Rechnung ein wenig anders, denn wird einfach die Steuer auf 1/5 des zu versteuernden Einkommen berechnet.
Im Falle der einzeln veranlagten Ehemanns würde das heißen:
* Ergebnis unter (1) ist negativ, daher Anwendung der Sonderregel:
* Zu verst. Einkommen (grob): 150.000€ – Vorsorge(u.a.) = 125.000€
* Steuern auf 1/5 (=25.000€), deutlich über dem Grundfreibetrag von knapp 9.000€
Ich bin mir fast sicher, dass hier die gemeinsame Veranlagung der bessere Weg ist, da doppelte Vorsorge möglich und Grundfreibetrag doppelt so hoch.
Aber zusammen mit den anderen Faktoren (ALG1, Selbständigkeit) ist es unmöglich, dazu eine Aussage zu machen. Da hilft nur konkretes Rechnen und ggfs. ausprobieren.
Gruß, Der Privater
Hallo Andrea,
besorge Dir doch ein Steuerberechnungsprogramm und gebe Deine Daten ein.
Meines schlägt die günstigste Veranlagungsgart sogar vor und zeigt die Unterschiede.
Dass man jetzt noch keine Programme für die Steuerberechnung 2016 bekommt, ist meiner Meinung nach kein Problem. Auch ein Programm für 2015 zeigt die Tendenz.
Viel Erfolg, Hardy
Hallo Hardy,
ganz lieben Dank für Deine ausführliche Antwort. Das hilft mir schon viel weiter!
Ich werde mir ein Programm besorgen und schauen, was geht:-)
Liebe Grüße
Andrea
Hallo Andrea,
wichtig ist, zuerst einmal zu prüfen, ob die Fünftelungsregel vom Arbeitgeber angewendet wurde. Am einfachsten ist das, wenn Dein Mann eine Lohnsteuerbescheinigung von seinem ehemaligen Arbeitgeber bekommen hat. Wenn nicht, sollte er diese, oder zumindest eine vorläufige, anfordern.
Die Daten kannst Du dann einfach in die gängigen Programme übertragen. Dann noch das ALG I und den Gewinn aus Deiner selbständigen Tätigkeit eintragen; Kapitalerträge nicht vergessen. Zuletzt noch Versicherungen und Vorsorgeaufwendungen eintragen. Werte, die man nicht genau weiß, aufgrund der Vorjahreswerte schätzen und bis zur Abgabe konkretisieren.
Man kann natürlich auch zu einem Steuerberater gehen. Wenn man es aber selbst macht, arbeitet man sich gleichzeitig in die Materie ein.
Viel Erfolg, Hardy
Hallo Hardy,
ich habe mal Steuerfachangestellte gelernt, von daher verstehe ich ein bisschen was:-)
Die Lohnsteuerbescheinigung vom Arbeitgeber haben wir schon. Sie haben die Abfindung und die Auszahlung des Langzeitkontos in Feld 10 eingetragen „Ermäßigt besteuerter Arbeitslohn für mehrere Kalenderjahre ohne 9 und ermäßigt besteuerte Entschädigungen“. Von daher denke ich, dass sie die 1/5-Regel angewendet haben, oder? Sie haben in Feld 10 bescheinigt € 149.112,68 und darauf Lohnsteuer in Höhe von € 42.555,-.
Wenn ich dies mit einem Nettolohnrechner vergleiche, gehe ich davon aus, dass sie schon die 1/5-Regel angewandt haben.
Vielen Dank an Dich!
Liebe Grüße
Andrea
Hallo Andrea,
das ist völlig richtig. In Feld 10 steht der Betrag, auf den die Fünftelungsregel angewendet wurde, in Feld 11-13 die davon abgeführten Steuern.
Viele Grüße, Hardy
Hallo Privatier,
zum Jahresende bekam ich normalerweise vom Arbeitgeber eine Lohnsteuerbescheinigung.
Damit konnte ich beim Finanzamt meine Steuererklärung ausfüllen und abgeben.
Ist das beim Bezug von ALG1 auch der Fall. Habe bisher von der AfA noch nichts bekommen.
Ist das normal und wenn ja, wie komme ich an die Daten (gezahlte Steuern, KK Beiträge, etc.)?
Auch die Agentur verschickt eine Bescheinigung über erhaltene Zahlungen und abgeführte Beiträge zur Renten- und Krankenversicherung. Steuern führt die Agentur keine ab.
In der Regel sollten solche Bescheinigungen im Feb./März des Folgejahres zu erwarten sein.
Gruß, Der Privatier