Steuer-Optimierung mit Kleinbetragsrenten
Vorab: Bitte beim Stichwort „Kleinbetrag“ nicht gleich weiterklicken!
Auf den ersten Blick mag es sich hier um die berühmten „Peanuts“ handeln, bei genauerer Betrachtung ergibt sich aber eine durchaus interessante Möglichkeit der Steueroptimierung (insbesondere im Zusammenhang mit Abfindungen), die sich hinter den anderen hier vorgestellten Varianten nicht zu verstecken braucht.
Als eine der effektivsten Steuergestaltungen habe ich immer wieder auf (hohe) Einmalzahlungen in eine Basis-Rente (GRV oder Rürup) verwiesen. Immerhin können hier bis zu ca. 25.000€/50.000€ (led./verh.) im Jahr eingezahlt werden, wovon z.B. im Jahr 2020 90% als Sonderausgaben steuerlich wirksam werden.
Diese Variante mag aber nicht für jeden die richtige Wahl sein, da manche Eigenschaften schon einmal als nachteilig empfunden werden.
=> Abfindung und Ruhezeit
Mit: Grundlagen, Dauer und Folgen einer Ruhezeit
Nachteile einer (hohen) Einmalzahlung in eine Basis-Versicherung
Die Nachteile will ich hier nur stichwortartig aufzählen ohne sie weiter im Detail zu erläutern:
- Die eingezahlten Summen sind zunächst einmal weg und stehen für andere Zwecke endgültig nicht mehr zur Verfügung.
- Bis die eingezahlten Summen vollständig wieder in Form von regelmässigen Rentenzahlungen zurückgeflossen sind, vergehen viele Jahre (ca. 20-25). Gerechnet vor Steuern. Nach Steuern und Abgaben können sich teilweise deutlich andere Werte ergeben (in beide Richtungen!).
- Manch einer erlebt diesen Zeitpunkt gar nicht mehr, eine Vererbung ist nur teilweise möglich. GRV: Witwenrente, Rürup: Zusätzlich abschließbar, aber mit Reduzierung der Rente. Stirbt auch der Ehegatte, ist das evtl. noch vorhandene Kapital in der Regel verloren.
- Die Rentenzahlungen sind mit dem persönlichen Steuersatz zu versteuern.
- Auf die Rentenzahlungen sind Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung zu zahlen: Für die GRV-Renten nur der halbe Beitrag, bei Rürup der volle Beitrag, allerdings nur bei freiwillig Versicherten der gesetzl. Krankenversicherung. KVdR-Rentner zahlen keinen Beitrag für die Rürup-Renten.
- Der langfristig gesicherte Bestand der Rentensysteme (staatlich und privat) in der heute bekannten Form ist ungewiss. Das gilt auch für die damit im Zusammenhang stehenden Steuern und Sozialabgaben.
Wenn die persönliche Finanz- und Lebensplanung mit diesen Nachteilen nicht vereinbar ist, so mag eine Einzahlung in eine Basisrente daher nicht immer die erste Wahl sein.
Die Alternative: Kleinbetragsrenten
Bevor ich diese Alternative vorstelle, möchte ich mich kurz bei Leser Holger bedanken, der auf diese Möglichkeit vor Kurzem in einem Kommentar hingewiesen hat. Damals (auch von mir) zu Unrecht wenig beachtet und darum heute hier der ausführliche Beitrag.
Was genau ist eine Kleinbetragsrente?
Die Kleinbetragsrente ist in §93 Abs.3 S.2 ESTG definiert:
„Eine Kleinbetragsrente ist eine Rente, die bei gleichmäßiger Verrentung des gesamten zu Beginn der Auszahlungsphase zur Verfügung stehenden Kapitals eine monatliche Rente ergibt, die 1 Prozent der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch nicht übersteigt.“
Beispiel: Für 2020 liegt die monatliche Bezugsgröße (West/Ost) bei 3.185€ / 3.020€ (s. aktuelle Rechenwerte). Eine Kleinbetragsrente liegt also vor, wenn zu Beginn der Rentenzahlung die monatliche Rente den Beitrag von 31,85€ bzw. 30,20€ pro Monat nicht übersteigt.
Die Besonderheit von Kleinbetragsrenten
Das Besondere an diesen Kleinbetragsrenten ist die Tatsache, dass sie entgegen allen anders lautenden Bestimmungen als Einmalzahlung vollständig zu Rentenbeginn ausgezahlt werden können. Die Kapitalisierung dieser Renten wird darüberhinaus nicht als schädliche Verwendung angesehen (§93 Abs.3 S.1 ESTG) , d.h. in der Einzahlungsphase evtl. gewährte Förderungen müssen nicht zurückgezahlt werden.
=> Mehr ALG durch Steuerklassenwechsel
Mit: Irrglaube Steuerklasse, Vorteil ALG, Termine
Und wozu soll das nun gut sein?
Die Idee hinter einer Steuergestaltung mit Kleinbetragsrenten besteht ganz einfach darin, anstatt einer (hohen) Einmalzahlung in die GRV oder einem Rürup-Vertrag eine Aufteilung in mehrere kleine Rürup-Verträge vorzunehmen. Ein Lediger könnte z.B. zwei oder drei Verträge zu je 7.000€-10.000€ abschliessen, bei Verheirateten wären es dann 2-3 Verträge für jeden Ehepartner. Mehr zur Höhe der Einzahlungen im Hinweis weiter unten.
Die gewünschte steuerliche Wirkung insbesondere im Zusammenhang mit der Zahlung einer Abfindung ist diesselbe wie bei einer einzigen höheren Einmalzahlung und kann die Steuerlast auf eine Abfindung erheblich senken. Dadurch, dass die kleineren eingezahlten Summen aber später bei Rentenbeginn zu den Kleinbetragsrenten führen, können sie gleich zu Rentenbeginn wieder ausgezahlt werden. Dadurch ergeben sich die folgenen Vorteile:
Die Vorteile dieser Konstruktion:
- Die eingezahlten Summen stehen bei einer rentennahen Einzahlung relativ kurzfristig wieder zur Verfügung und können anschliessend für andere Zwecke eingesetzt werden.
- Es entsteht keine Jahrzehnte lange Amortisationszeit. Je nach persönlicher Situation reden wir hier eher von ca. 2-10 Jahren. Auszahlungen können in der Regel ab einem Alter von 62 Jahren erfolgen.
- Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass man die vollständige Rückzahlung noch erlebt und das ausgezahlte Kapital in voller Höhe zunächst selber genutzt werden kann oder eben später an den Ehepartner oder Kinder vererbt werden kann.
- Die Einmalauszahlungen unterliegen natürlich auch der Steuerpflicht, können aber in der Regel mit der Fünftelregel ermässigt besteuert werden. Ein entsprechendes BFH-Urteil vom 11. Juni 2019 (X R 7/18) hat dies zwar bestätigt, jedoch gleichzeitig betont, dass für die Anwendung der Fünftelregel das Merkmal der „ausserordentlichen“ Zahlung erforderlich ist und es sich um einen atypischen Ablauf handeln muss. Zur Prüfung dieser Voraussetzung hat der BFH den Fall an das FG zurück verwiesen.
- Trotz Fünftelregel ist die Steuerbelastung einer einmaligen Kapitalauszahlung allerdings tendenziell immer höher, als bei einer Verteilung über sehr viele Jahre hinweg wie bei lebenslangen Renten. Wenn man die Einzahlung jedoch im Zusammenhang mit einer (hohen) Abfindung vorgenommen hat, sollte sich dennoch am Ende ein beachtlicher steuerlicher Vorteil in der Summe ergeben, zumal in der Auszahlungsphase der Steuersatz oftmals gering ist. Aus steuerlicher Sicht wäre daher eine Auszahlung in einer Phase mit möglichst geringen sonstigen Einkünften eine ideale Wahl.
- Ob eine Einmalauszahlung einer Rürup-Rente auch Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung nach sich zieht, hängt vom Versicherungsstatus ab: Der freiwilige Versicherte zahlt einen Beitrag, der KVdR-Rentner hingegen nicht. Aus dieser Sicht wäre eine Auszahlung nach Antritt der gesetzlichen Rente vorzuziehen.
- Der Bestand einer solchen Konstruktion muss nur für einen überschaubaren Zeitraum gesichert sein, womit die Wahrscheinlichkeit steigt, dass sich an den aktuellen Bedingungen nicht allzu viel ändert.
=> Vorschlag für einen Finanzplan (1/3)
Mit: Tabellen-Kalkulation, Folgejahre, Grafik
Was ist bei dieser Idee zu bedenken?
Natürlich hat auch diese Idee ein paar Haken und Ösen, die es zu bedenken gibt. Zu Beginn noch ein paar positive Merkmale:
- Bei der Auszahlung einer Kleinbetragsrente kann gewählt werden, ob die Auszahlung mit Beginn der eigentlichen Rentenzahlung erfolgen soll oder erst im Folgejahr (s. §93 Abs.3 S.1 ESTG). Dies eröffnet weitere steuerliche Gestalungsmöglichkeiten.
- Die ganze Idee lässt sich auch mit Riester-Renten durchführen. Dies könnte sich insbesondere vielleicht dann anbieten, wenn man das Konzept auf eine längere Sicht plant. Also nicht im direkten Zusammenhang mit einer Abfindung, sondern unabhängig davon. Mit Riester lassen sich aber nur deutlich geringere Summen pro Jahr einzahlen und ist daher für schnelle Lösungen im Zusammenhang mit Abfindungen weniger geeignet.
- Eine gleich doppelte Schwierigkeit ergibt sich bei der optimalen Wahl der einzuzahlenden Summe. Der o.g. Bereich von ca. 7.000€ – 10.000€ für eine Einzahlung entspricht nach aktuellem Stand ganz grob einer Rentenauszahlung in Höhe des momentan maximalen Beitrages einer Kleinbetragsrente.
Die Höhe einer zukünftigen Auszahlung ist jedoch sowohl vom jeweiligen Anbieter, als auch von der verbleibenden Laufzeit bis zur Auszahlung abhängig. Daher unbedingt vorher verbindliche Angebote der Anbieter prüfen!
Das zweite Problem besteht darin, dass die maximale Grenze für die Kleinbetragsrenten nicht konstant ist. Wie oben beschrieben, liegt diese bei 1% der monatlichen Bezugsgröße (West/Ost). Diese Bezugsgröße wird jedes Jahr neu festgelegt. In „normalen“ Zeiten konnte man immer davon ausgehen, dass sie jedes Jahr leicht ansteigt. Gerade im nächsten Jahr (2021) besteht aber eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass die Bezugsgröße (Durchschnitteinkommen) aufgrund der Corona-Probleme sinken könnte.
Damit besteht die Gefahr, dass man u.U. eine zu hohe Einzahlung gewählt hat und die spätere Rentenzahlung nicht mehr den Kriterien einer Kleinbetragsrente entspricht.
Ggfs. muss man daher zur Sicherheit die Einzahlung eher am unteren Rand ansiedeln.
Einen Eindruck der aktuellen Konditionen vermittelt dabei z.B. ein Rürup-Rechner der Europa-Versicherung. - Die einzelnen Verträge müssen bei unterschiedlichen Anbietern abgeschlossen werden, da Verträge desselben Anbieters zusammenaddiert werden und dann damit keine Kleinbetragsrente mehr ergeben.
- Die steuerliche Behandlung einer Einmalauszahlung sieht prinzipiell die Anwendung der Fünftelregel vor (§ 22 Nr. 5 S.12 EStG). Einschränkend soll aber erwähnt werden, dass es dazu erforderlich ist, dass es sich um „ausserordentliche“ Einkünfte handeln muss. Eine abschliessende Beurteilung, ob und wann solche atypischen Abläufe gegeben sind, liegt bisher nicht vor.
- Natürlich bedeutet die Prüfung, der Abschluss und die anschliessende Verwaltung mehrerer Verträge von unterschiedlichen Anbietern einen deutlich höheren Aufwand als eine einzige Einmalzahlung z.B. in der GRV.
Allerdings betrifft dies dann auch nur die Einzahlungsphase. Nach Auszahlung (und Abrechnung mit dem Finanzamt) kann man die ganze Konstruktion dann endgültig vergessen. Laufende Renten (auch Mini-Renten) hingegen begleiten einen ein Leben lang. - Bei der Prüfung von unterschiedlichen Angeboten sollte man immer auch die Abschluss- und Verwaltungsgebühren im Auge behalten. Einige Anbieter verlangen zudem auch eine Mindesteinzahlungssumme bei Einmalbeträgen.
Zum Schluss
Als abschliessenden Hinweis muss ich noch darauf hinweisen, dass die vorgestellte Vorgehensweise eher den Charakter eines Konzeptes oder eine Idee hat. Es sind bisher nur theoretische (aber fundierte) Überlegungen. Ich selber habe dies nicht praktiziert und werde dies auch aufgrund meines Alters nicht mehr ausprobieren können. Weiterhin ist mir bisher niemand bekannt, der dies schon einmal erfolgreich ausgeführt hat.
Es besteht daher durchaus die Möglichkeit, dass einige Aspekte hier nicht aufgeführt sind oder dass es bei der praktischen Durchführung Hindernisse auftreten.
Trotzdem eine interessante Idee!
Hier würde ich mir noch eine ausführliche Beispielrechnung wünschen die den Artikel ergänzt.
Vorab: Ich habe Ihren gewählten Namen etwas ergänzt, um ihn von anderen unterscheiden zu können. Bitte zukünftig nur diesen Namen verwenden. Danke.
Wenn Sie einmal kurz schreiben, welche(r) Punkt(e) Ihnen im Beitrag unklar ist, kann ich ggfs. versuchen, diesen noch etwas näher zu erläutern.
Gruß, Der Privatier
Noch etwas Literatur … (Riesterrente)
https://www.lohnsteuer-kompakt.de/steuerwissen/riester-rente-abfindung-einer-kleinbetragsrente-vor-2018-steuerbeguenstigt/
Gruß
Lars
Danke für den interessanten Link. Was ich dennoch nicht verstehe ist diese „Mehrjährigkeit“ von der dort die Rede ist.
Muss trotz des Betriebsrentenstärkungsgesetz (letzer Absatz) weiterhin die „Mehrjährigkeit“ beachtet werden? Bezieht sich die Mehrjährigkeit auf die Beitragszahlung oder auf die Auszahlung?!?
Würde das bedeuten das man die Beitragszahlung über mehrere Jahre strecken muss?
Oder wäre es auch möglich z.B. dieses Jahr in einem neuen Riestervertrag als Einmalzahlung 1925€ (=2100€-175€ Zulage) einzuzahlen und dann den Vertrag ruhen zu lassen?
Cooles Konzept, in solchen Themen bist du echt ein Fuchs. Respekt.
Gruß
Andree
Danke, aber ich will mich hier nicht mit fremdem Federn schmücken. Das Konzept habe ich mir ja nicht ausgedacht, sondern hier nur für (angehende) Privatiers einmal vorgestellt. Und – wie oben im Beitrag bereits erwähnt – war es Kommentator Holger, der zuerst auf diese Möglichkeit aufmerksam gemacht hat.
Gruß, Der Privatier
Auf genau die gleiche Idee bin ich im letzten Jahr gekommen, um damit die steuerliche Belastung einer Kapitalabfindung aus einer Pensionskasse auf mehrere Jahre zu verteilen.
Theoretisch müsste das auch funktionieren.
Ich möchte das Konzept gerne in diesem Jahr umsetzen, bin aber bisher an einem entscheidenden Punkt gescheitert.
Ich finde keine Anbieter, die Rürup-Verträge zu nachfolgenden Vorgaben anbieten.
– Rürup-Vertrag in Form einer klassischen Rentenversicherung mit Garantiezins und Mindestrente.
– Beitrag als Einmalzahlung in Höhe von 7.000 €.
– Die Aufschubzeit soll 1 bis 4 Jahre betragen.
Gibt es tatsächlich keine Anbieter oder kennt jemand welche?
Danke schon jetzt für eure Antworten und beste Grüße
Olli
Hinweis: Ich musste Ihren Namen etwas erweitern um Verwechslungen zu vermeiden. Bitte zukünftig nur diese Version verwenden. Danke.
Ich kann leider nicht mit konkreten Anbietern weiterhelden.
Gruß, Der Privatier
Bravo – es gibt in diesem Blog immer wieder etwas Neues zu entdecken!
Die „Kleinbetragsrente“ klingt vielversprechend.
Ich werde zwischen 63 und 67 nur meine gesetzliche Rente beziehen.
Danach kommt eine hohe Betriebsrente und die Rente meiner Frau dazu.
Deshalb bietet es sich an, jedes Jahr einen kleinen Rürupvertrag zu kapitalisieren.
Meine Fragen dazu:
Hat das Finanzamt etwas dagegen, wenn man jedes Jahr aufs Neue die Fünftelregelung für eine Kleinbetragsrente zieht?
Habe ich es richtig verstanden: Man kann in einem Jahr beliebig viele Kleinbetragsrenten kapitalisieren und die Fünftelregel anwenden, falls Policen bei unterschiedlichen Versicherungen abgeschlossen wurden?
Mit welchen Einbußen muss man bei Umwandlung von Renten in Einmalzahlung versicherungsseitig rechnen?
Viele Grüße
1. „Hat das Finanzamt etwas dagegen, wenn man jedes Jahr aufs Neue die Fünftelregelung für eine Kleinbetragsrente zieht?“
Nein
2. „Habe ich es richtig verstanden: Man kann in einem Jahr beliebig viele Kleinbetragsrenten kapitalisieren und die Fünftelregel anwenden, falls Policen bei unterschiedlichen Versicherungen abgeschlossen wurden?“
Ja
3. „Mit welchen Einbußen muss man bei Umwandlung von Renten in Einmalzahlung versicherungsseitig rechnen?“
z.B. Riesterrente (Kleinbetragsrente)
Hier liegt bei Kapitalabfindungen keine „schädliche Verwendung“ vor, siehe §93 Abs.3 EStG.
z.B. Rürup (Kleinbetragsrente)
Schon im Vorfeld beim Vertragsabschluss abklären (Vertrag = Kleinbetragsrente), dann dürfte es keine Probleme geben.
Gruß
Lars
Ich habe im Beitrag oben ja bereits erwähnt, dass es gerade bei der Fünftelregel aus meiner Sicht nicht zu 100% sicher ist, dass diese auch immer angewandt werden kann. Stichwort: Außerordentlichkeit.
Gruß, Der Privatier